Kunst von Jannis Kounellis: Hart wie eine Bußpredigt

Der griechische Künstler Jannis Kounellis zeigt sein neues Werk in Kleve. Der 75-Jährige arbeitet mit Teer und Feuer.

Kleve. Jannis Kounellis (75) lebt seit mehr als 50 Jahren in Rom. Er gilt als Pionier der Avantgarde, vor allem der Arte Povera (Arme Kunst).

Er zwingt wie kein anderer sperrige Materialien zu einer neuen Poesie. Er ist ständig auf Reisen zwischen Peking und Tokio, von Ausstellung zu Ausstellung. Doch jetzt ließ er sich sieben Tage Zeit, um im kleinen Kleve sein Alters- und Frühwerk zu vereinigen. Es ist seine erste Schau seit 20 Jahren in Deutschland.

Sie ist dem renommierten Museumsmann Rudi Fuchs zu verdanken, der seinen Freund schon vor 30 Jahren in Eindhoven präsentierte. Sie zeigt u. a. Monotypien („einzige Bilder“), die normalerweise mit Hilfe einer Presse entstehen.

Doch Kounellis nimmt alte, lange, schwere, schwarze Mäntel, zerteilt oder zerknautscht sie, taucht sie in Teer, lässt sie wieder aus dem Bottich herausziehen, schlägt sie mit voller Kraft auf den Untergrund und presst sie nach unten, um den Abdruck zu verstärken. Es gibt auch ganze Mäntel, die an Fleischerhaken hängen.

Das ist keine Malerei, das sind gewaltige Gewichte, die ihre Spuren hinterlassen. Das Ergebnis in diesem Abklatschverfahren erinnert an Reliefs und Schatten. Rudi Fuchs beschreibt die neue Gruppe kurz: „Alles schwarzweiß, stark dunkel, kräftig und hart wie eine Bußpredigt.“

Der Künstler spricht gern vom menschlichen „Drama“ und zeigt Assemblagen aus Metall, Leinwand, Teer und Stoff in den Maßen eines Doppelbettes. Die Arbeiten wirken in ihren sonoren Tönen wie ein Abgesang des 75-Jährigen auf sein eigenes Leben.

Vom Tod will er jedoch nichts wissen. Er sagt: „Nicht Tod, sondern Trauer. Die Trauer hat es an sich, dass man sich nach etwas sehnt, das nicht mehr da ist. Sie ist wie eine Saite, die angestimmt ist.“

Als 20-Jähriger war der Grieche aus Piräus 1956 in die ewige Stadt gekommen und machte schon bald Furore. Aus einer stählernen Blume ließ er farblich schöne, aber gefährliche Flammen in Kopfhöhe des Betrachters zischen. Auch in Kleve greift er auf alte Arbeiten zurück, zeigt einen Stahlcontainer von 1967, aus dem die Baumwolle quillt, also etwas Weiches, Luftiges, wie eine Wolke.

Es gibt Raucharbeiten, bei denen er Baumwoll-Watte in schweres Motoröl taucht und anzündet, um mit den Rauchspuren zu zeichnen. Berühmt wurde er mit lebendigen Pferden, die er auf den Boden einer Galerie stellte und mit Seilen festmachte. Die Tiere stanken, schabten, wieherten und urinierten. Kounellis ist kein bloßer Minimalist, er präsentiert auch pralles Leben.

Berühmt wurde seine Beuys-Oper, 1998, in einer Maschinenhalle in Düsseldorf. Er ließ ausrangierte Eisenbahn-Züge und Dieselloks auf eigens verlegten Gleisen auffahren, als gehe es um eine Endstation. Zuvor hatte er nach dem Fall der Mauer 1991/92 „Die Mauser“, eine Trilogie von und mit Heiner Müller, für das Deutsche Theater Berlin inszeniert. Den eingefleischten Humanisten faszinierte, dass Europa zusammenwuchs.

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