Krise regt den Kunstmarkt an

Gemälde gelten als ideale Investition in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Anleger bevorzugen Kunst aus der Zeit nach 1945.

Düsseldorf/Köln. Die erfolgreichste Auktion seiner Geschichte mit umgerechnet fast 300 Millionen Euro Umsatz meldete Sotheby’s Mitte November. Nur einen Tag später setzte der Konkurrent Christie’s 321 Millionen Euro an einem einzigen Abend um — ebenfalls Rekord.

Kunst gilt als sicherer Hafen für Geld in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. „Die sensationellen Auktionsergebnisse in New York fokussieren auf die Kunst nach 1945“, sagt der Kunstsachverständige Stefan Horsthemke, Mitgeschäftsführer der Kunstberatungsfirma Berenberg Art Advice in Düsseldorf.

Allein die Tatsache, dass es nun professionelle Kunstberatungen für Anleger gibt — die Firma hat sogar einen eigenen Fond aufgelegt —, macht die wachsende Bedeutung von Kunst als Investment deutlich.

Angst vor Wertverlusten bei Marktgiganten wie Gerhard Richter muss man nach Meinung von Experten wenig haben. Zwar sei auch der Kunstmarkt zyklisch, sagt Horsthemke. „Aber die Zyklen verlaufen deutlich länger als zum Beispiel auf dem Aktienmarkt. Man kann auf dem Kunstmarkt einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren sehr gut überblicken und einschätzen.“

Für 2013 sieht Horsthemke die Tendenz, dass bei der Klassischen Moderne „nur noch 1A-Künstler mit 1A-Qualität sehr hohe Preise erzielen“. Bei Kunst des 19. Jahrhunderts fielen die Preise dagegen aufgrund des sinkenden Interesses und damit verbundenen größeren Angebots. Das gelte auch für den Altmeistermarkt. „Selbst globale Größen und gute Namen lassen sich nur dann verkaufen, wenn das Zusammenspiel von Erhaltungszustand, einwandfreier Provenienz und Qualität perfekt ist.“

Auf dem Kunstmarkt vollzieht sich nach Ansicht von Experten derzeit ein Generationswechsel — die Anleger werden jünger, sie suchen häufig Nachkriegskunst, während Kunst des 19. Jahrhunderts immer weniger gefragt ist. Das mache sich auch schon beim Impressionismus bemerkbar, sagt Horsthemke. So gebe es derzeit ein Überangebot an Renoir-Arbeiten auf dem Markt.

Wegen der Inflationsangst sei die Nachfrage nach Kunst groß, sagt Robert Ketterer vom Münchner Auktionshaus Ketterer. Allerdings sei das Angebot knapp. „Es gibt wenig Spitzenangebote am Markt, weil alternative Anlagemöglichkeiten fehlen.“ So werde es 2013 noch schwerer als 2012, „spannende Objekte“ zu finden.

Auch Ketterer sieht eine wachsende Bedeutung der Nachkriegskunst. Er meint, dass Werke nach 1945 die Klassische Moderne des frühen 20. Jahrhunderts sogar bald ablösen könnten. Grund sei das höhere Angebot an Nachkriegskunst.

Wenn der höchst seltene Fall eintritt und ein Spitzenwerk wie Munchs „Der Schrei“ auf den Markt kommt, dann schlägt die Stunde der superreichen Sammler. „Investment ist an der Stelle nicht mehr die Motivation“, meint Horsthemke. Bei Höchstpreisen auf Auktionen gebe es eine „magische Grenze“, wo es nicht mehr ums Investieren gehe, sondern um Emotionen.

Die Käuferschaft bei den Rekordauktionen in New York oder London sei eine andere als in Deutschland, sagt Markus Eisenbeis vom Kölner Auktionshaus Van Ham. Deutsche Auktionshäuser hätten ein anderes Preisniveau und seien breiter aufgestellt.

Wer nicht gerade einen Jeff Koons für mehrere Millionen erwerbe, der könne derzeit in anderen Epochen zu attraktiven Preisen kaufen, sagt Eisenbeis, der auch Vizepräsident des Verbandes Deutscher Kunstversteigerer ist. „Der Kauf aus einer früheren Epoche ist nicht schlechter. Nur das Preisniveau ist zwischen den Epochen völlig verzerrt.“

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