Karosse als Kunst im Karlsruher ZKM

Karlsruhe (dpa) - Ein verfetteter roter Porsche empfängt die Besucher. Die stromförmigen Linien hat der Wiener Künstler Erwin Wurm zu Speckringen umgeformt. Eine Karikatur auf die immer dicker werdenden Autofahrer oder eine Metapher für eine aufgeblähte Autoindustrie?

Mit mehr als 80 Kunstwerken rund um das Thema Auto will das Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie den Blick auf des Deutschen liebstes Spielzeug schärfen. Die Schau ist - im Gegensatz zu anderen Autosalons - eher ein Abgesang als eine Liebeserklärung.

Die Ausstellung „Car Culture. Medien der Mobilität“ ist Teil der 125-Jahr-Feier des Autos. Der „Selbstläufer“ wurde 1886 von Carl Benz zum Patent angemeldet und ist seitdem seinem Namen gerecht geworden. „Keine Erfindung hat dem Menschen so viel Freiheit gegeben und soviel Unfreiheit gleichermaßen“, sagte der Kölner Künstler HA Schult bei der Vorstellung der Schau. Er hat gleich drei Werke beigesteuert.

Seine „Crying Cars“ (weinende Autos) sind fünf platt gedrückte und aufeinandergeschichtete Karosserien. Aus ihnen entsteigt wie eine Traumblase der Entwurf des neuen Autos, das einem Handy ähnelt. Auf dem Stapel spielt eine russische Geigerin - zumindest zur Eröffnung - moderne Weisen. Für HA Schult sind es Abschiedslieder. „Das Auto in seiner jetzigen Form wird es bald nicht mehr geben“, ist er überzeugt und entwirft eine Vision. „Bald wird man Autos zusammenfalten und an der Garderobe abgeben können.“

Seit das Auto das gesellschaftliche Leben bestimmt, reiben sich die Künstler an ihm. Manche Modelle wie der Käfer oder die Ente sind selbst zum Kunstwerk geworden und bilden auch in der Ausstellung den Ausgangspunkt für einige Werke. So lässt der Wiener Architekt Hans Hollein vor dem Gebäude einige Käfer vom Himmel auf die Erde fallen.

Es ist erstaunlich, was den Künstlern zum Thema Auto alles einfällt: Sie gießen es in Beton, um es zum Stillstand zu zwingen, sie hängen es an Fäden auf, um sich darin im Kreis zu schwingen, sie verkeilen sie ineinander, um die Gefahr zu beschwören. Der Spanier Miquel Barceló hat in seiner Bronzeskulptur „Mobili“ ein Rennauto so geformt, das es von vorne wie ein Totenkopf aussieht.

Einen Trabi als Luxuskarosse präsentiert der Karlsruher Ecke Bonk auf einer Drehbühne - doch wer genau hinhört, kann aus seinem Inneren Zitate von Karl Marx und Friedrich Engels vernehmen. Das Auto des Philosophen Felix Guattari hat der Franzose Jean-Jacques Lebel zu einem Kunstwerk aufgemotzt, das das gesamte Leben seines Idols widerspiegeln soll: vom Bett und der Bibliothek auf dem Dach bis zu Videoeinspielern vor der Seitentüre.

Einige Werke werden Autoliebhabern auch die Tränen in die Augen treiben. So hat der Karlsruher Axel Philipp einen Mercedes 280 SL Cabrio bis zum Rand mit Altöl gefüllt. „Ob es dicht hält, werden wir erst in den kommenden Wochen sehen“, sagt Kurator Bernhard Serexhe. Das dänische Künstlerduo Elmgreen und Dragset sorgt schließlich mit „Disgrace“ (Schande) für den Schlusspunkt. Dafür haben sie ein Auto geteert und gefedert.

„Die Sicht der Künstler auf das Auto ist nicht so optimistisch wie die der Autobauer“, fasst ZKM-Leiter Peter Weibel zusammen. Er selbst hält die Zukunft des Autos auch für eine Illusion. Das Zeitalter einer neuen Mobilität habe längst begonnen. Mit der Funktechnologie könnten Botschaften ohne Materialeinsatz große Wege zurücklegen.

Die Ausstellung zeigt deshalb in einer Sonderschau die Entwicklung der Telekommunikation, die mit den Forschungen von Heinrich Hertz auch in Karlsruhe ihren Anfang nahm. Sie hat für Weibel in einigen Lebensbereichen das Auto bereits überflüssig gemacht. Als Beispiel nennt er die sozialen Netzwerke: „Viele Menschen fahren heute nicht mehr zu einem gemeinsamen Treffen mit Freunden, sondern sie treffen sich im Internet.“

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