Foto-Ausstellung : Schmerz, der aus allen Poren dringt

Rosemary Laing widmet sich dem Leid der Menschen.

Düsseldorf. Im Februar 2008 leitete der australische Premier Kevin Rudd eine neue Ära ein: Er entschuldigte sich offiziell bei den Ureinwohnern des Landes für all das Leid und lud hundert Aborigines zur konstituierenden Sitzung des Parlaments nach Canberra ein.

Von 1910 bis in die 70er Jahre hinein hatte man Tausende von Kindern ihren Eltern weggenommen, um sie in die von den Weißen dominierte australische Gesellschaft zu integrieren. Aber nicht nur die Aborigines sprachen von einem bedeutsamen Tag, sondern auch Rosemary Laing (50), Australiens wichtigste Foto-Künstlerin. In der Düsseldorfer Galerie Conrads zeigt sie ab Freitag ihre beeindruckende Serie.

Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt sie, wie sie den offiziellen Gedenktag Australiens zum Anlass nahm, über die Kultur der Trauer nachzudenken. Fast zur selben Zeit erschütterten Erdbeben und Seebeben die Gebiete in und um Australien. Sie war entsetzt über die Bilder: "Fotografen hielten die Kamera direkt auf Leute, die beim Tsunami alles verloren hatten. In denselben Nachrichten gab es einen Bericht über einen dreibeinigen Hund. Erst da waren die Zuschauer vor dem Fernseher in der Lage zu weinen." Rosemary Laing beschloss, in ihren Bildern das individuelle Leid in einem extremen Zustand zu präsentieren.

Die Künstlerin wollte jedoch nicht anderen Leuten einfach das Aufnahmegerät hinhalten, wenn die Katastrophe über sie hereinbricht. Sie arbeitet mit Models und Schauspielerinnen, mit Profis also, die ihre Anweisungen beim Casting verstehen. Sie bereitet die Szenen in Zeichnungen vor, sorgt für eine Choreografie und drückt erst nach mehreren Wochen intensiver Arbeit erstmals auf den Auslöser. Die Serie ist erfüllt von Schmerz, Betroffenheit und Trauer.

Die Schauspielerinnen, die die Bilder der Australierin umsetzen, sind jung, schlank und blond. Ihr Haar ist gewellt wie das der schönen Simonetta auf den Gemälden des Renaissance-Malers Sandro Botticelli. Doch die Betroffenheit und Trauer der australischen Schauspielerinnen hat nichts mit dem Klischee der italienischen Schönheiten zu tun. Rosemary Laing will mit ihren Fotos keine Politik in ein besseres Licht stellen, wie es Botticelli im Zeitalter der Medici getan hat. Sie will Gefühle zeigen, die den Menschen entrücken. Es gibt in ihren Porträts heulende Frauen, die eine rot gescheckte Haut haben, als würden sie die Trauer wie eine Krankheit ausschwitzen.

Alle Frauen stehen vor Tapeten in Pink, mit weißen Strichen. Dieses liebliche Rosarot ist die Farbe der Barbie-Puppe, eine Horror-Farbe für Feministinnen. Rosemary Laing liebt sie, weil sie harmonisch wirkt. Zugleich sorgen die weißen Striche im Hintergrund dafür, dass die wilden Bewegungen der Köpfe scheinbar in steter Bewegung sind. Wie bei der Großaufnahme im Film sind die Gesichter angeschnitten, die Fotos haben Panorama-Format. So bleibt das Leid permanent in der Schwebe.

Die Bilder sind bis zum 13. März in der Galerie Conrads, Lindenstraße 167, zu sehen.

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