Kunst der Straße Die Wiege der deutschen Street-Art steht in München

München (dpa) - Als Niels „Shoe“ Meulman das letzte Mal in München war, verbrachte er „drei Wochen in eurem wunderbaren Stadelheim“. „Es hat eine gewisse Ironie: Vor 30 Jahren kam ich in den Knast, heute bezahlt man mich - für ein und dieselbe Sache.“

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Ein und dieselbe Sache, das ist in diesem Fall Straßenkunst: Street-Art, Graffiti. 1986 verbrachte der Künstler eine ganze Nacht damit, Züge in München zu besprühen, 31 Jahre später steht er am Mittwoch in der gleichen Stadt vor seiner neuesten Arbeit, einem Auftragswerk für die Wanderausstellung „Magic City - Die Kunst der Straße“.

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„Wir haben damals gedacht: Diese Stadt ist so steril - wir haben hier viel Arbeit vor uns“, sagt der heute 49-jährige Holländer. 1986 gehörte er zu einer Gruppe internationaler Sprayer, die sich „Crime Time Kings“ nannte und das Münchner S-Bahn-Netz mit Zeichen überzog. Neben Shoe landen noch zwei weitere Sprayer in Untersuchungshaft.

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Heute gilt nicht etwa Berlin als Wiege der Street-Art-Szene in Deutschland, sondern die bayerische Landeshauptstadt. „Das ist für Viele das Überraschende: Tatsächlich gab es hier vor Berlin die ersten Street-Art-Aktionen“, sagt der Ausstellungsdesigner von „Magic City“, Tobias Kunz. „Es war zur richtigen Zeit der richtige Ort“, sagt Markus Müller, der als WON ABC zu den bekanntesten deutschen Graffiti-Künstlern gehört.

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Schon 1970 tauchten dort überall HEIDUK-Schriftzüge auf und München rätselte über den wohl ersten Graffiti-Sprayer der Stadt. Anfang der 1980er war es dann RAYx, der - lange vor dem heutigen Szene-Superstar Banksy - mit witzigen und kritischen Comicfiguren von sich reden machte. Er war es auch, der wohl als erster einen Zug bemalte und einen Güterwagon bunter machte.

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Ein Jahr später ruft der von sieben Künstlern auf fast der ganzen Länge besprühte, sogenannte Geltendorfer Zug eine Graffiti-Sonderkommission der Polizei auf den Plan. Als der Volkskunde-Professor Peter Kreuzer die Münchner Graffiti-Szene zum Thema seiner Vorlesungen macht und sogar ein Lexikon herausbringt und ein ehemaliges Armee-Gelände, der „Dachauer Flohmarkt“, ganz offiziell zum Sprayer-Paradies wird, bewegt sich die Szene schon Ende der 1980er Jahre langsam raus aus der Illegalität. „Der 'Dachauer Flohmark'" war die größte Hall of Fame“, sagt Pionier Akim Walta, der einst das erste deutsche Graffiti-Magazin auf den Markt gebracht hat.

„Dank dem damaligen Bürgermeister, der dem Ganzen wohlgesonnen war, konnte sich die Szene weiter ausbreiten“, sagt Sprayer Loomit, heute einer der bekanntesten deutschen Graffiti-Künstler, im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Er hat das private Badezimmer des langjährigen Stadt-Chefs Christian Ude gestaltet.

Zu Beginn seiner Karriere stand auch Loomit wegen seiner Graffiti vor Gericht, heute kann er von seiner Kunst leben und er will weitermachen - „solange noch öffentlicher Raum vorhanden ist“. „Ich will mich nicht abschotten und wie der 'typische Künstler' im abgeschlossenen Raum, im Atelier arbeiten. Ich will draußen sein, brauche Anwohner, Straßenverkehr und -lärm.“

Die Ausstellung, die auch Werke von Stars der Szene wie Banksy oder Shepard Fairey zeigt, war schon in Dresden und ist bis zum 3. September 2017 in der Kleinen Olympiahalle zu sehen. Danach zieht sie nach Stockholm, Paris und Philadelphia weiter.

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