Die große Kunst der Isa Genzken — im Kleinen

Die Bundeskunsthalle in Bonn zeigt Skulpturen und Installationen der Künstlerin als Modell — eine Art Retrospektive ihrer Außenprojekte.

Die große Kunst der Isa Genzken — im Kleinen
Foto: Olaf Steinacker

Bonn. Jedes Jahr zu Thanksgiving lässt das berühmte New Yorker Kaufhaus Macy’s eine Parade für die Einwohner der Stadt springen. Besonders bejubelt werden dabei die riesigen, mit Helium gefüllten Luftballons in Form von Comic- oder Videospielfiguren. Trotz ihrer gewaltigen Ausmaße wirken Snoopy, Micky Maus oder Sonic der Igel in den Häuserschluchten des Big Apple geradezu winzig.

Isa Genzkens Modell für die Skulptur „Rose“, 1993 für den Park der Villa Schriever in Baden-Baden entworfen.

Isa Genzkens Modell für die Skulptur „Rose“, 1993 für den Park der Villa Schriever in Baden-Baden entworfen.

Foto: Bengt Oberger (CC BY-SA 3.0)

In der Innenstadt des eher beschaulicheren Münsters sucht man Wolkenkratzer vergeblich — dort dürften die überdimensionalen Gestalten wie Giganten zwischen den engen Straßen und Giebeln der Backsteinbauten hervorlugen. 2017 möchte Isa Genzken genau dieses Experiment wagen. Anlässlich der alle zehn Jahre laufenden Ausstellung „Skulptur Projekte“ sollen die Bewohner Münsters Snoopy & Co. durch ihre Stadt ziehen. Obschon die aufblasbaren Figuren, man könnte sie auch mobile Außenskulpturen nennen, dieselben sind, verschieben sich Größenverhältnisse und Perspektive gewaltig: Aus Kommerzkitsch wird Kunst — die New Yorker würden staunen.

Realisiert wurde das Projekt unter anderem vor der Neuen Messe in Leipzig.

Realisiert wurde das Projekt unter anderem vor der Neuen Messe in Leipzig.

Wie genau die in Schleswig-Holstein geborene und heute in Berlin lebende Künstlerin (67) sich das Projekt vorstellt, ist ab heute in der Bonner Bundeskunsthalle zu sehen. Ausgestellt sind dort 35 Modelle von Außenprojekten, die Genzken in den vergangenen drei Jahrzehnten geplant und umgesetzt hat. 20 Arbeiten — Skulpturen oder Installationen — wurden realisiert, die übrigen 15 aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht. Auch die Organisatoren der „Skulptur Projekte 2017“ in Münster haben noch kein grünes Licht für Genzkens Vorhaben gegeben.

Was gewiss nicht an ihrem internationalen Renommee liegen wird. Besonders im Ausland wird die Künstlerin gefeiert, die einst in Düsseldorf bei Gerhard Richter (83) studiert hat und auch elf Jahre mit dem Mann verheiratet war, der heute als teuerster lebender Künstler der Welt gilt. 2013 widmete ihr das Museum of Modern Art in New York eine große Retrospektive, voriges Jahr war eine Übersichtsausstellung im Amsterdamer Stedelijk Museum zu sehen.

Die Bonner Ausstellung widmet sich einem kleinen Teil des durchaus üppigen, aber mitunter sperrigen Werkes der Künstlerin. Die Kuratorin Susanne Kleine hat eine Art Retrospektive der Außenprojekte zusammengestellt. Neben den Modellen sind Fotografien der realisierten Projekte zu sehen, frühe Studien, Briefwechsel und Archivmaterial.

Bis auf wenige Ausnahmen sind die Außenprojekte nach Anfragen für einen bestimmten Ort oder Platz entstanden. „Keine Skulptur könnte woanders stehen“, sagt Kleine. Genzkens bekanntes, gut acht Meter hohe Abbild einer Rose, 1993 für den Park von Frieder Burda in Baden-Baden entworfen, steht seit 1997 auch vor der Neuen Messe in Leipzig und in ähnlicher Form in New York, in Zürich und Las Vegas. „Die Wirkung verschiebt sich aber je nach Perspektive und Standort“, erklärt Kleine.

Seit dem vorigen Jahr hat die Orchidee die Rose als künstlerische Vorlage abgelöst. Die zehn Meter hohe Skulptur „Zwei Orchideen“, die Genzken voriges Jahr bei der Biennale in Venedig gezeigt hat, wird in diesem Frühjahr im New Yorker Central Park aufgestellt.

Wobei die Künstlerin nicht nur durch die Blume spricht. Die 20 mal 30 Meter große Skulptur „Spiegel“, die Genzken 1992 vor der Bielefelder Stadthalle aufbaute, ist Kunst gewordene Architekturkritik und wurde auch so wahrgenommen. Die Hamburger Architekten der Halle waren sauer und wollten das Kunstwerk abreißen lassen. Erst nachdem sich der Kunsthistoriker Kasper König (72, früher Museum Ludwig) und ein finanzstarker Stahlproduzent für Genzkens Werk stark gemacht hatten, durfte es bleiben. Bis heute.

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