Das transparente Museum

Stararchitekt David Chipperfield hat aus dem Essener Folkwang-Museum ein helles Ausstellungshaus mit Dorf-Charakter gemacht.

Essen. "Ein Himmelszeichen im westlichen Deutschland" nannte der Maler Emil Nolde im Jahr 1902 schwärmerisch das gerade in Hagen gegründete Folkwang-Museum, das rasch zu einer der bedeutendsten und fortschrittlichsten Kunstsammlungen im Lande werden sollte. Der britische Stararchitekt David Chipperfield (56) hat für das heute in Essen beheimatete Museum Folkwang ein neues Haus entworfen, das nicht weniger staunen lässt.

In nur zwei Jahren ist ein Gebäude entstanden, dessen klare Formensprache das Raumgebilde aus versetzten Kuben und hellen Innenhöfen zum sicherlich eindrucksvollsten Museums-Neubau der Nachkriegszeit im Westen macht. Chipperfield, der seine Komposition aus Licht und rechten Winkeln ganz der künftigen Kunstpräsentation untergeordnet hat, zeigt sich einmal mehr als legitimer Enkel des stilbildenden Bauhauses.

Am 30. Januar soll nun das neue Kunstmuseum, das auf Initiative des Industriellen Berthold Beitz (96) von der Krupp-Stiftung als einzigem Förderer mit 55Millionen Euro ermöglicht worden ist, seine Türen öffnen. Und damit wird der technisch wie ästhetisch höchst anspruchsvolle Bau exakt im Rahmen der vorgegebenen Kosten und Zeitplanung pünktlich zum Auftakt des Kulturhauptstadt-Jahres im Ruhrgebiet realisiert.

Rund 6200 Quadratmeter Ausstellungsfläche stehen jetzt, nach dem Abbruch eines unschönen Museumsbaus der 80er Jahre, für die Sammlung, für Wechselausstellungen und das umfangreiche Deutsche Plakat Museum zur Verfügung.

Am 20.März öffnet die erste Sonderausstellung, die unter dem Titel "Das schönste Museum der Welt" die Folkwang-Sammlung vor 1933 rekonstruiert und zahlreiche von den Nazis als "entartet" diffamierte Bilder aus aller Welt erstmals wieder nach Essen bringt (bis 25. Juli).

Kern des Folkwang-Neubaus ist der erhaltene, mittlerweile denkmalgeschützte Museumsbau der 1960er Jahre, dessen Maß und Modul sich der Brite, wie schon zuvor bei der historischen Substanz des Neuen Museums in Berlin, bescheiden unterworfen hat.

Vier verglaste Innenhöfe bringen viel Tageslicht in das weitläufige, durchweg ebenerdige Raumensemble, das sich vom Foyer aus dank großzügiger Sichtachsen bereits auf den ersten Blick erschließt. "Man will sich verlieren, man will sich aber auch orientieren", beschreibt Chipperfield.

"Das Gebäude ist konzipiert wie ein kleines Dorf mit Plätzen und Häusern", erklärt der Architekt. Da gehört der raffiniert belichtete Wechselausstellungssaal mit allein 1400 Quadratmetern schon eher zu den größeren "Dorf-Häusern". Matt spiegelnder Estrichboden, je nach Lichteinfall unterschiedlich samtig-hellgrau wirkende Wände und große, fast immer zu den wenigen umgebenden Bäumen geöffnete Fenster markieren das von Funktion und Schönheit geprägte Museums-Innere.

Die Außenfront ist mit ihrer gletschereis-grünen Fassade aus wiederverwendetem Industrieglas unverwechselbar. Gleichzeitig scheint das Quader-Gefüge an der vielbefahrenen Bismarckstraße fast zu schweben: Auch um das leicht abschüssige Gelände auszugleichen, stellte Chipperfield sein Museum wirkungsvoll auf einen hellen Sockel aus sandgestrahltem Beton. Um die Idee des Museums als öffentlicher Raum zu unterstreichen, öffnete Chipperfield sein Haus mit einer breiten Freitreppe zur Innenstadt Essens.

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