Ausstellung: Ich, ich, ich — die Methode Lagerfeld

Der Mann mit dem weißen Zopf ist ein Phänomen. In der Bundeskunsthalle spielt das aber keine Rolle. Oder nur ein ganz kleines bisschen

Der nachgeschneiderte Entwurf eines Wollmantels von Karl Lagerfeld aus dem Jahr 1954 gehört zu den Exponaten der Ausstellung.

Der nachgeschneiderte Entwurf eines Wollmantels von Karl Lagerfeld aus dem Jahr 1954 gehört zu den Exponaten der Ausstellung.

Foto: Oliver Berg

Bonn. Karl Lagerfelds Methode ist im Grunde ziemlich einfach: Ich! Von den ersten Skizzen, die der Mann mit dem gepuderten weißen Pferdeschwanz aufs Papier bringt, über die Fotos vom kleinen und großen Schwarzen bis zur endgültigen Layoutabnahme für seine Werbeanzeigen — der hagere Meister mit dem Hang fürs Exzentrische legt gern selbst Hand an. Bloß das Schneidern überlässt der — je nach Quellenlage und Zuneigung im Jahr 1933, 1935 oder 1938 geborene — Sohn eines Hamburger Büchsenmilchproduzenten den Fachleuten.

Dass er diese in Ruhe arbeiten ließe, dürfte allerdings eher unwahrscheinlich sein. Denn Lagerfeld ist nicht nur einer der bekanntesten Modedesigner der Welt und eine Zeitgeistikone, der stets sonnenbebrillte Wahlfranzose gilt als eigenwillig, perfektionistisch, rastlos und als Mulitalent: „Mich erinnert Karl an einen olympischen Athleten“, sagt Lady Amanda Harlech (56). „Je mehr er tut, umso weiter kommt er. Er macht keine Ferien, er schaltet seinen Kopf nie ab, er füttert ihn ständig.“

Lady Harlech muss es wissen, sie ist Ko-Kuratorin der Ausstellung „Karl Lagerfeld. Modemethode“, die von Samstag an in der Bonner Bundeskunsthalle zu sehen ist. „Mein zweites Paar Augen“ nennt Karl der Große die adlige Vertraute aus England. Deren Kunst- und Modeexpertise muss Lagerfeld allerdings mit seinem Kollegen, dem kaum weniger exzentrischen Modemacher John Galliano (55), teilen.

126 „Looks“ sind in Bonn zu sehen, „Looks“ deshalb, weil es weniger um die Zeichnungen Lagerfelds oder gar seine Ausflüge ins Fotografenfach geht, sondern um seine Kreationen. „Wir wollten nicht wie andere Häuser das Phänomen Lagerfeld zeigen, sondern seine Mode“, sagt Rein Wolfs, zweiter Kurator der Schau und Intendant der Bundeskunsthalle. Zum ersten Mal wagt sich das Museum ans Thema Mode.

Das machen Harlech und Wolfs ebenso eigenwillig wie überzeugend. Nicht zuletzt, weil sie für das Ausstellungsdesign Gerhard Steidl (65) gewinnen konnten, der sich vor allem als Verleger einen Namen gemacht hat. In Bonn ließ Steidl die Wände in stark reduzierter Industrie-Beton-Optik tapezieren — inklusive Aufklebern, Graffiti und wucherndem Unkraut. Was zunächst als Kontrast zur weich gespülten Welt der Mode daherkommt, entpuppt sich nach Minuten der Irritation als Glücksgriff. Merke: Die Mode macht’s!

Unterteilt ist die Ausstellung, die ausdrücklich keine Retrospektive sein will, in vier thematische Schwerpunkte. Sie richten sich nach den Modelabels, denen Lagerfeld in den 60 Jahren seines Wirkens einen Stempel aufgedrückt hat und deren Mode er nachhaltig geprägt hat: Fendi, Chloé, Karl Lagerfeld und natürlich Chanel.

Dort heuerte er 1983 als Chefdesigner an und hauchte dem angestaubten Erbe von Coco Chanel neues Leben ein. „Bevor Lagerfeld kam, war das klassische Chanel-Kostüm praktisch tot“, sagt Ausstellungsleiterin Angelica Francke. Karl machte Röcke kürzer, Schnitte eleganter, Stoffe leichter und Chanel wieder erfolgreich.

Die Bonner Schau konzentriert sich vor allem auf Prêt-à-Porter-Mode, also das, was direkt vom Laufsteg in die Boutiquen und auf die Straße kann — die passende Figur und das nötige Kleingeld vorausgesetzt. Höhepunkt der Ausstellung ist aber dennoch die Haute Couture, der ein eigener Raum gewidmet ist. Im „Paper-Palace“, dem märchenhaft gestalteten Papier-Palast, hängen echte Modeträume.

Ein rosa Federkleid, in dem Schauspielerin Nicole Kidman einmal steckte und ein spektakuläres Hochzeitskleid, das sowohl dem Zeitgeist wie dem Lagerfeldschen Pragmatismus geschuldet ist. Das gute Stück ist aus Neopren geschneidert — für eine hochschwangere Braut.

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