Auf DVD: Gespräche mit Alfred Hrdlicka

Wien (dpa) - „Kunst ohne Arbeit ist mir ein Rätsel“, sagt Alfred Hrdlicka, lehnt sich zurück, lässt den Blick durch sein Atelier gleiten.

Gedanken zu seiner Arbeit, Erinnerungen aus seinem bewegten Leben, Überlegungen zu Kunst, Liebe und Politik - das alles hat der Wiener Bildhauer einer Freundin in seinen letzten Lebensjahren in langen Gesprächen anvertraut. Andrea Bönig, Freundin des Paares Hrdlicka und Opernsängerin, hat einen Teil dieser Unterhaltungen auf Film gebannt. Zwei Jahre nach dem Tod des Künstlers am 5. Dezember 2009 sind die Gespräche nun auf der DVD „Alfred Hrdlicka. Sequenzen“ zu sehen.

Ein alter Herr, manchmal kurzatmig, manchmal bemüht, sich zu konzentrieren, mit wachen, lebendigen Augen, sitzt in einem grünen Samtsessel. Einer der größten österreichischen Künstler des 20. Jahrhunderts erzählt aus seinem Leben. „Ich habe damals immer Turnschuhe getragen“, blickt er etwa in die Zeit des Nationalsozialismus zurück, schließlich habe man immer damit gerechnet, schnell weglaufen zu müssen.

Schnell weglaufen musste der 1928 geborene Alfred Hrdlicka wohl öfter in dieser Zeit - als Sohn eines illegalen Kommunisten, selbst politisch wach und weder geneigt, der Mehrheit zu folgen noch ein Blatt vor den Mund zu nehmen.

Es sind oft nur kurze Sequenzen, die Alfred Hrdlicka erzählt. Doch sie breiten in der Gesamtschau das Leben des Künstlers in allen Facetten aus. Hrdlicka spricht über seine erste Liebe Anna, über Pasolini und den Heiligen Nepomuk, über Alkohol und die „Wurschtsemmel“.

Die aus Bamberg stammende Bönig, die häufig in Berlin und Wien auf der Opernbühne steht, lernte in den stundenlangen Gesprächen den Künstler als eloquenten Erzähler „mit großem Herzen und brillantem Verstand“ kennen, wie sie berichtet.

„Irgendwann kam mir der Gedanke, wenn der mal die Augen zumacht, geht alles das verloren“, erklärte Bönig im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur die Entstehungsgeschichte ihres Projektes. Ihr Gegenüber, „ein fast väterlicher Freund“, war einverstanden, dass sie ihn mit der Kamera begleiten wollte.

So sind in seinen letzten beiden Lebensjahren mehr als zwölf Stunden Videomaterial entstanden, das Bönig und der Videoproduzent Michael Weber in einem privaten Projekt nun zu einer zweiteiligen DVD-Edition von rund drei Stunden Länge verdichtet haben.

Der erste Teil von „Alfred Hrdlicka. Sequenzen“ porträtiert vorrangig den Künstler. Zu einzelnen Werken wie „Pasolini“ oder zum spektakulären Mahnmal gegen Krieg und Faschismus in Wien erklärt Hrdlicka Gedankengänge und Hintergründe, erläutert Technik und Vorgehensweise.

Im zweiten Teil tritt das Privatleben in den Vordergrund. Anekdoten aus seiner Zeit als Statist in der Oper, die Enttäuschung über eine nur fast gewonnene Schachpartie gegen Weltmeister Alexander Alexandrowitsch Aljechin oder auch Polemik gegen den „US-Imperialismus“: Der alte Herr nimmt kein Blatt vor den Mund.

Bönig führte meist selbst die Kamera und arbeitete ohne Ansteckmikrofon. Das ermöglichte sehr nahe Gespräche, in denen sich Hrdlicka ganz privat zeigt, mitunter auch sprachlos. Diese Momente, in denen der alternde Künstler sich in Erinnerungen verliert oder sichtbar an die Grenzen dessen gerät, was er erzählen möchte oder kann, gehören zu den bewegendsten Augenblicken des ungewöhnlichen Porträts.

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