Kunst hinterm Chefsessel im Revier

Unternehmen wollen Modernes statt Industriekitsch in Öl.

Bochum. Rauchende Schlote und Industriekitsch sind passé: Statt bombastischer Öl-Gemälde aus der Frühzeit der Industrialisierung ziert in vielen Unternehmen längst moderne Kunst die Vorstandsetagen. Hinter den meist verschlossenen Türen von Unternehmen wie Eon Ruhrgas, RWE, Evonik oder Haniel finden sich hochkarätige Werke von Künstlern wie Emil Nolde, Per Kirkeby, Max Bill oder Emil Schumacher.

Viele Kunstkäufe der vergangenen Jahre erweisen sich heute als Glücksgriff. "Es ist wirklich überraschend, was die Unternehmen an Kunst angeschafft haben", sagt Kunsthistorikerin Elisabeth Kessler-Slotta, die als Kuratorin eine Ausstellung zur Unternehmenskunst im Ruhrgebiet vorbereitet. Von 70 angeschriebenen Unternehmen wird die Hälfte in der Ausstellung berücksichtigt. Zu den Leihgebern gehören neben Großkonzernen auch Sparkassen oder die Essener Bistumsbank. Die ums Überleben kämpfende Essener Warenhauskette Karstadt, die durch eine Versteigerung von mehr als 470 Kunstwerken aus Unternehmensbesitz auf einen Millionenerlös hofft, ist bei der Ausstellung nicht vertreten.

Bei der Auswahl "entscheiden oft die Vorlieben der Chefs", berichtet Kessler-Slotta. In dem mehr als 250 Jahre alten Duisburger Familienunternehmen Haniel hat man bereits vor Jahrzehnten die industriehistorischen Gemälde komplett ins firmeneigene Museum geräumt und setzt seit den 80er Jahren auf abstrakte Kunst mit dem Schwerpunkt Informel. Bei der geplanten Revier-Kunst-Ausstellung wird das Unternehmen aber durch eine Installation des britischen Gegenwarts-Künstlers Damien Hirst vertreten sein, der sich gern als "enfant terrible" gibt.

Für die Duisburger hat er ein Werk unter dem Titel "apothecary dream" (Apotheker-Traum) geschaffen - immerhin ist der Pharmahandel der wichtigste Geschäftszweig. Mit kurios beschrifteten Medikamentenpackungen in kleinen Schränkchen kommt das Werk aber vergleichsweise unspektakulär daher.

Angesichts einer Sammlung von mittlerweile 1200 Werken ist die Kunst bei Haniel längst nicht mehr auf die Chefetage beschränkt. Jeder Mitarbeiter kann sich ein Kunstwerk aus dem Unternehmens-Fundus ins Büro hängen. Die Auswahlkriterien sind dabei variabel. "Manchmal muss das Bild einfach zur Farbe des Schreibtisches passen", berichtet Haniel-Sprecherin Jutta Stolle. Nach einem deutlichen Ergebnisrückgang im Geschäftsjahr 2008 hat Haniel im vergangenen Jahr allerdings den Ankaufsetat für neue Kunstwerke bis auf weiteres gestrichen.

Das Kunstmuseum Bochum zeigt ab 31. Oktober rund 100 Kunstwerke in der Ausstellung "Unternehmensgalerie Ruhr".

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