Johannes Mario Simmel: Ein Autor am Puls der Zeit

Johannes Mario Simmel galt als Deutschlands populärster Autor. Am Neujahrstag starb er im Alter von 84.

Zürich/Wien. Er war jahrzehntelang Deutschlands populärster Schriftsteller. Seine rund 35 Romane und Erzählungen erschienen weltweit in einer Auflage von mehr als 73 Millionen in 33 Sprachen, Millionen Menschen sahen auch die Verfilmungen.

Und doch blieb Johannes Mario Simmel, der am Neujahrstag im Alter von 84 Jahren in der Schweiz gestorben ist, die literarische Anerkennung seines Werks bis zu seinem Lebensende versagt.

"Bestenfalls gehobene Trivialliteratur", so beurteilten die meisten Kritiker seine Romane. Eine Einschätzung, die den gelernten Chemoingenieur und erfolgreichen Journalisten - wie er einmal bekannte - durchaus kränkte.

Immerhin attestierte ihm einst der Kritiker-Papst Marcel Reich- Ranicki: "Simmel hat wie kaum ein anderer zeitgenössischer Autor einen fabelhaften Blick für Themen, Probleme, Motive." Fast 60 Jahre lang schrieb Simmel, was der Zeitgeist ihm vorgab; und seine Leser verschlangen förmlich, was sein Verlag in die Buchhandlungen stellte.

Nachkriegsdeutschland oder Berliner Mauer, Alkohol, Drogen, Genmanipulation oder Organspenden waren seine Themen. Sein vielleicht berühmtestes Werk aber blieb einer seiner frühen Romane: "Es muss nicht immer Kaviar sein".

Stets bis ins Detail sehr gut recherchiert und angereichert mit einer Portion Erotik, rissen sich seine Leser jahrzehntelang förmlich nach jedem "neuen Simmel".

Insgesamt stand er mit elf seiner Romane erheblich länger auf der Bestsellerliste des "Spiegel" als etwa die Nobelpreisträger Heinrich Böll oder Günter Grass. Dabei hatte die schriftstellerische Arbeit des gebürtigen Wieners ein Konzept. Sein Ziel war es, Menschen aufzuklären. "Schönschreiberei", so gestand er, führe letztlich zu nichts.

Ursprünglich, so erzählte Simmel, habe er "gedacht, man müsse so schön schreiben wie Rimbaud, Verlaine und Rilke zusammen", doch dann sei ihm bewusst geworden: "Man muss den Leuten erzählen, was geschehen ist, verpackt in Romane." Er habe "das betrieben, was Norman Mailer ,faction’ genannt hat, eine Mischung aus Fiktion und Fakten".

Vor allem politische Aufklärung war sein Ziel. Dafür erhielt er 1991 auch einen Preis der Vereinten Nationen. Sein ganzer Eifer richtete sich bis ins hohe Alter vor allem gegen den wiederaufkommenden Rechtsradikalismus.

War Simmels Moral in den ersten Jahrzehnten seines Schaffens von Optimismus geprägt, so verdüsterte sich sein Weltbild zunehmend in den 1990er Jahren. Sein Motto: "Tun wir unser Möglichstes, mehr als scheitern kann der Mensch nicht" - wich mit jedem neuen Roman immer mehr offenerem Pessimismus. "Ich habe das Empfinden, dass es nur mehr eine Eiseskälte zwischen den Menschen gibt", meinte er 2001 in einem Interview.

Von 1990 an wurden die Abstände zwischen seinen neuen Romanen immer größer. Dabei behinderte ihn auch eine Verletzung, die er sich bei einem Sturz in seinem Garten zuzog. Simmel zog sich in der Folge immer mehr zurück, empfing nur noch wenige Besucher. Simmel schreibe noch, konnte man aus seinem Verlag bei Anfragen erfahren: "Aber wir wollen ihn nicht drängen!"

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