Heinrich Breloer beleuchtet jetzt Brecht

Der große Regisseur wird 70 und mag vom Filmen nicht lassen.

Herr Breloer, nach Ihrer jahrzehntelangen Arbeit über die Familie Mann wenden Sie sich mit 70 erneut Bertolt Brecht zu, über dessen Jugendjahre Sie bereits 1978 einen Film gedreht hatten. Wie kam es zu dieser Rolle rückwärts?

Breloer: Ich wollte eigentlich bei Thomas Mann weitermachen. Aber der WDR wollte „jetzt mal was anderes“, und ich hatte das Brecht-Thema sozusagen auf Wiedervorlage. Das ist ein schwerer Stoff, weil Brecht nicht so leicht zu fassen ist.

Bertolt Brecht hat in seinen „Werktagebüchern“ Thomas Mann wüst beschimpft. Hat Sie das auch motiviert?

Breloer: Nein. Die Szene hatte ich bereits für „Die Manns“ geschrieben, mit Joachim Krol als Bertolt Brecht. Da ging Brecht mit Helene Weigel zu Heinrich Manns Beerdigung, und Thomas Mann drehte sich um und sagte den berühmten Satz: „Da kommt das begabte Scheusal.“

Warum flog die Szene raus?

Breloer: Weil man Joachim Krol den Flug nicht bezahlen konnte. Das war jammerschade.

Und wer spielt jetzt den Brecht?

Breloer: Wenn ich das wüsste. Wir recherchieren noch. Ich erlaube mir jetzt mit 70, nicht nur den ganzen Tag zu arbeiten, sondern auch ein Stück zu leben.

Man könnte auch sagen: Mit 70 muss ich nicht noch einen Film drehen.

Breloer: Die Phantasie arbeitet ja weiter. Die Maler werden 80 und 90 und malen immer noch. Aber man kann jetzt gelassener arbeiten. Es ist auch schön, dass man sich nicht mehr beweisen muss.

Warum sind Sie so ein Arbeitswütiger geworden?

Breloer: Das Thema Drittes Reich hat mich seit der Jugendzeit beschäftigt. Wir haben davon in der Schule nichts gehört. Ein Lehrer, der davon anfing, wurde versetzt, obwohl der Direktor des Internats selbst im KZ Dachau war.

Mein Glück war, dass ich danach aus dem westfälischen Provinz-Muff in die liberale Hansestadt Hamburg geflüchtet bin. Das war für mich wichtig, dieser Weg in die Stadt und diese Fragen: Wer bin ich? In welchem Land lebe ich? Uwe Barschel, Herbert Wehner, Albert Speer, Thomas Mann — in diesen Biografien hat sich etwas Wesentliches aus unserer Geschichte verdichtet.

Eine Affäre wie die um Bundespräsident Wulff wirkt dagegen kleinkrämerisch?

Breloer: Bei Wulff weiß man noch nicht, wie es zu Ende geht. Aber wenn man die Chance zu einer Tiefenbohrung bei Figuren wie Bertolt Brecht hat, stößt man auf die großen Ströme der Geschichte. Bei Wulff ist unten nichts mehr, da ist Sand, da sind Sie schnell durch.

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