Hanna Schygulla: Ein Leben wie vom Zufall geführt

Schauspielerin Hanna Schygulla schreibt über ihre bewegte Vergangenheit. Tiefe Gefühle in fein gesetzten Worten.

München. Als Star in den Filmen von Rainer Werner Fassbinder wird Hanna Schygulla berühmt, schafft den Sprung nach Hollywood. Kurz vor ihrem 70. Geburtstag am 25. Dezember hat sie ihre Autobiografie „Wach auf und träume“ veröffentlicht.

Hanna Schygulla beschreibt ein bewegtes Leben: die Flucht mit der Mutter aus dem oberschlesischen Kattowitz, die Kindheit im Nachkriegs-München, ihre Zeit mit Fassbinder und Auszeiten abseits der Karriere wie die Pflege ihrer alten Eltern. Zwischendrin, fast zufällig, erinnert sie anhand von Szenen daran: Die Nazizeit und ihre Schrecken wirken noch lange nach.

Die Kindheitserlebnisse haben sie geprägt, die Heimkehr des Vaters aus der Kriegsgefangenschaft. „Er war sehr bedrückt. Er hatte seine Illusionen verloren, er hatte an Hitler geglaubt“, sagt sie. Er ist ein Fremder. So habe sie „in der Luft gehangen“ — ein Gefühl, das sie zeitlebens begleitete. Sie erzählt, steigt in fein gewählten Worten tief in Gefühle ein, setzt sprunghaft über zum nächsten Eindruck.

„Ich wandere zwischen den Welten“, schreibt sie — ein Lebensthema. Sie pendelt zwischen dem Buben, der sie gern gewesen wäre, und der Prinzessin, Flüchtlingskind und Münchner Kindl, Dickkopf und Tagträumerin, zwischen intellektueller Germanistik-Studentin und „Vorstadt-Marilyn“.

Hanna Schygulla erinnert sich an die Heimkehr ihres Vaters aus dem Zweiten Weltkrieg

Die Zulassungsarbeit für das Staatsexamen über „Schizophrenie und Sprache bei Karl Valentin“ bleibt ungeschrieben. „Ich will nicht mehr gescheit daherreden“, schreibt sie über diese Entscheidung. „Ich will raus aus dem Kopf und rein in die Mitte.“ Über ihren weiteren, Lebensweg schreibt sie: „Der Zufall hat mich immer geführt“. Zufällig begleitet sie eine Freundin in die Schauspielschule, zufällig lernt sie dort Fassbinder kennen, der sie zu seinem Star erklärt.

Mit ihm hatte sie vor 30 Jahren ihre größte Zeit. Mit „Effi Briest“, „Die Ehe der Maria Braun“ und „Lili Marleen“ schrieb sie Filmgeschichte. Fassbinder widmet sie viel Raum in ihrer Autobiografie; er ist ständig präsent. Männer, mit denen sie zusammen war, kommen demgegenüber kurz weg.

Wer das nun im Einzelnen war — da lässt sie manches im Unklaren. Mit dem Schriftsteller Jean-Claude Carrière aber war sie 13 Jahre zusammen. Bei ihm wird sie deutlich. Mit ihm wollte sie ein Kind. Er nicht. Er bekommt es mit einer anderen. Schygulla beschreibt das ohne Vorwurf.

Mit dem Älterwerden werde die Zeit kostbarer denn je, schreibt Schygulla. „Ach könnte ich sie anhalten. Sie läuft mir davon! Ich nehme Ferien von der Zeit.“ Vielleicht ist — wie sie kürzlich bei der Buchvorstellung in München andeutete — ihre Autobiografie ein neuer Start ins Schriftstellerische.

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