Große Retrospektive zur Surrealistin Meret Oppenheim

Der Martin-Gropius-Bau in Berlin widmet der Surrealistin Meret Oppenheim die erste große Retrospektive in Deutschland.

Berlin. Anlässlich des 100. Geburtstags von Meret Oppenheim widmet ihr der Martin-Gropius-Bau die erste umfassende Retrospektive in Deutschland. Eigenwillig zeichnet die 16-jährige Meret Oppenheim 1929 in ihr Mathematikheft: „x = Hase“. So überzeugt sie ihren Vater, einen Arzt und Anhänger des Psychiaters C. G. Jung, von ihren künstlerischen Ambitionen.

Sie verlässt die Schule und geht nach Paris, wo sie 1932 mit den Surrealisten verkehrt und bereits mit 23 Jahren Erfolg hat: Alfred E. Barr kauft ihre „Pelztasse“ für das Museum of Modern Art in New York an.

Die vielgestaltige und sehr sehenswerte Oppenheim-Schau im Martin-Gropius-Bau ist die bislang umfassendste in Deutschland, da dank der Kuratorin Heike Eipeldauer und Oppenheims Nichte Lisa Wenger (deren gleichnamige Urgroßmutter war eine der erste Absolventinnen der Düsseldorfer Kunstakademie) verschollen geglaubte und unbekannte Objekte gefunden wurden wie „Daphne und Apoll“ oder „Tisch mit Vogelfüßen“.

Die rund 200 Exponate — Fotografien, Zeichnungen, Malereien, Skulpturen und Schmuckstücke — dokumentieren Oppenheims Bedeutung für die aktuelle Kunst: Nonkonformismus und Experimentierfreude zeigen sich in der künstlerischen Vielfalt ebenso wie in der umwertenden Verwendung ursprünglich alltäglicher Materialien. Aus Fell, Draht, Lampen und Holz sind Masken gebildet, in reliefartige Bilder ist Porzellan eingelassen, an den Spitzen verbundene Schnürschuhe bilden „Das Paar“.

Auch weitere pelzüberzogene Objekte sind in der Ausstellung zu sehen ebenso wie ein Brief C.G. Jungs, in dem er dem Vater nach einer Therapiestunde mit der Künstlerin versichert: „Ich glaube nicht, dass der Fall allzu schlimm liegt. Der Kampf mit den Realitäten wird bei der natürlichen Intelligenz ihrer Tochter in wenigen Jahren einen Ernst hervorbringen, welcher an eine genügende Anpassung an die Mächte der Wirklichkeit hoffen lässt.“

Das Gegenteil ist eingetreten. Oppenheim stieß sich an der vorgefundenen Wirklichkeit. Von ihrem Geliebten Max Ernst trennte sie sich nach einem Jahr, als sie merkte, dass er sie in ihrer künstlerischen Entwicklung hemmen würde. So fand sie eins ihrer Lebensthemen: die Kritik an der gesellschaftlichen Stellung der Frau als verdinglichtem Wesen. Muse, Femme fatale, Kindfrau — als solche stellte sie auch Man Ray in seiner berühmten Serie aus den 30er Jahren dar, als Akt eingefärbt von Schwärze an der Druckerpresse.

Der Kunstbetrieb kam in der Wahrnehmung der Künstlerin kaum über die „Pelztasse“ hinaus. Nach dem frühen Erfolg geriet sie in eine Krise, aus der sie erst nach 18 Jahren herausfand. Im Zuge des seit den 70ern veränderten Kunst-Verständnisses gewann auch Oppenheims Schaffen neue Aufmerksamkeit. 1975 resümierte sie: „Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie sich nehmen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Unwiderstehliche Grusel-Revue
Acht Schauspiel-Talente begeistern im Düsseldorfer Doppelstück „Das Sparschwein/Die Kontrakte des Kaufmanns“ Unwiderstehliche Grusel-Revue
Zum Thema
Kommissar Henry Koitzsch (Peter Kurth, M.)
Liebe und Hass in der Vorstadt
Peter Kurth und Peter Schneider ermitteln im „Polizeiruf“ nach einem Kindsmord in Halle/SaaleLiebe und Hass in der Vorstadt
Aus dem Ressort