Gralgläser sind zurück

Deutsche Design-Geschichte wird in der Tonhalle gezeigt.

Düsseldorf. Aus den Hinterlassenschaften der Großeltern und Großtanten sind vermutlich noch viele Gralgläser bekannt: Sie sind hauchdünn und garantiert nicht spülmaschinenfest, so dass sie im Geschirrschrank eher unerwünscht sind. Die Nachgeborenen werden jedoch ab sofort respektvoll mit den Hinterlassenschaften umgehen, denn der Glasforscher Helmut Ricke und der Sammler Wilfried van Loyen zeigen im grünen Gewölbe der Düsseldorfer Tonhalle 400 Gebrauchs- und Ziergläser eines Herstellers, der stilbildend im Nachkriegs-Deutschland war. Der Run auf die Trödelmärkte kann also beginnen, denn noch ist diese Ware nicht teuer.

Gral ist der Name einer Hütte in Dürnau, Schwäbische Alp, also im tiefsten Baden-Württemberg. Dort glaubten die Firmeninhaber Karl und Rolf Seyfang felsenfest daran, sie könnten den Geschmack der breiten Masse heben. Sie wollten dem gedeckten Tisch Klarheit, Einfachheit und Schönheit bescheren. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als Deutschland in Schutt und Asche lag, beschäftigten sie herausragende Designer wie Josef Stadler, Konrad Habermeier und Hans-Theo Baumann, die die Gefäße aus einfachen Grundformen entwarfen.

Die gertenschlanke Form und die bräunliche bis grünliche Färbung der Vasen, später dann der sogenannte Eisglasfuß, eine kräftige, optisch reizvolle Klarglasbodenplatte, gaben den Objekten ihre Faszinationskraft. Diese zeitlose, schlichte Form wurde nicht etwa von Maschinen geschaffen, sondern mit dem Mund geblasen und mit der Hand graviert. Das konnte nicht gut gehen. Die Arbeiten wurden viel zu teuer. Aus dem Osten kamen die Billigimporte, Maschinen übernahmen die Handarbeit. 1981 gab der Betrieb im 50. Jahr seines Bestehens auf. Dokumente und Archivalien landeten mitsamt der deutschen Design-Geschichte auf dem Müll.

15 Jahre brauchte der inzwischen pensionierte Chef des Glasmuseums Hentrich, Helmut Ricke, um aus einem Wust von Zetteln und Zeugnissen den roten Faden der Geschichte herauszuarbeiten. Heute sagt er: „Firmen von heute, ob Leonardo oder Ikea, leben von diesen guten, alten Formen.“ Angesichts der Schau im grünen Gewölbe fügt er hinzu: „Diese Ausstellung demonstriert das Ende der handwerklichen Glasfertigung.“

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