Kultur Fotokünstler Max Becher: Ein Becher-Spross ohne die Becher-Schule

Andrea Robbins und Max Becher nehmen schwarze Cowboys, bayerische Indianer und die Wall Street auf Kuba auf.

Kultur: Fotokünstler Max Becher: Ein Becher-Spross ohne die Becher-Schule
Foto: Becher-Robbins

Siegen. Der Fotokünstler Max Becher ist der Sohn des berühmten Fotografen-Ehepaars Hilla und Bernd Becher. Dennoch ist er kein Becher-Schüler, denn er hat nicht bei seinem Vater studiert. Weil die Eltern von einem Land ins andere zogen, um die Industriedenkmäler vor der Abrissbirne im Bild zu retten, kam er als Zwölfjähriger nach New York ins Internat und blieb. Dort studierte er 1982 bis 1986 an der Cooper Universität, lernte seine spätere Frau Andrea Robbins kennen und lieben. „Seit dem ersten Tag waren wir zusammen“, sagt er. Was dabei an künstlerischen Erzeugnissen herausgekommen ist, zeigt das Siegener Museum für Gegenwartskunst in einer großangelegten Retrospektive.

Dem schwarzen Cowboy widmen Becher und Robbins sogar ein Buch.

Dem schwarzen Cowboy widmen Becher und Robbins sogar ein Buch.

Foto: Helga Meister

Andrea Robbins (Jg. 1963) und Max Becher (Jg. 1964) erinnern zuweilen an die Eltern Becher. Wenn er etwas sagt, pflegt sie es zu ergänzen. Manchmal klingt bei ihm die leichte Ironie der Bechers an. Auch die Jüngeren haben ein Thema, mit dem sie durch die Welt reisen, die Emigranten in allen möglichen Länder. Bernd und Hilla Becher pflegten mit weichem Licht Silos, Wassertürme und Gasbehälter aufzunehmen, um sie wenigstens in der Fotografie zu erhalten. Die Nachgeborenen gehen anders vor.

Das Ehepaar Max Becher und Andrea Robbins im Museum Siegen.

Das Ehepaar Max Becher und Andrea Robbins im Museum Siegen.

Foto: Helga Meister

Auch ihre Fotografie ist dokumentarischer Art. Aber sie transportieren damit nicht nur schöne, oft farbenfrohe Motive, sondern Gesellschafts- und Zeitgeschichte. Zugleich spiegeln sie die jeweilige Mentalität an einem bestimmten Ort, etwa Indianer in Deutschland, die schwarzen Cowboys im Land weißer Hollywood-Stars. Beliebt sind die Verschiebungen an bestimmten Orten, Venedig etwa in Las Vegas oder die Wall Street in Kuba, die Kolonialstädte in Namibia, die kommerziellen Programme mit europäischen Zitaten bei den Investoren in China.

Andrea Robbins stammt aus Marblehead, einer 400 Jahre alten Stadt in der Nähe von Boston. Es ist eine Kolonialstadt nach englischem Vorbild, die noch heute mit ihren Holzhäusern sehr englisch aussieht. Und sie ist Jüdin, obwohl es in ihrer Heimatstadt kaum Juden gibt. Sie kennt dieses Gefühl, in Amerika zu sein und gleichzeitig woanders.

Dieses Duo sucht, interviewt, schreibt, doziert und fotografiert. Zwei Forscher sind es mit der Mittelformatkamera, nicht mehr der unhandlichen Großbildkamera der Eltern. Was sie entdecken, kommentieren sie mit einer „liebevollen Ironie“, wie er es nennt. Sie freuen sich, wenn sie über einen Internet-Anbieter Orte in Asien kennenlernen, wo man europäische Städte nachbaut, und zwar riesig, groß und in Windeseile nach Schablonen. Max Becher erklärt: „Die Menschen, die dort einziehen, wünschen sich ein europäisches Haus als Statussymbol.“

Robbins und Becher spüren dem nach, was Emigranten an Erinnerungen mit sich nehmen, was sie verdrängen, wo sie sich anpassen. Sie zeigen in einem Video zwei Inseln in Kanada, die zu Frankreich gehören und auf denen alles französisch gestaltet ist. Max Becher reflektiert: „Das sind keine französischen Kanadier. Man ist in Amerika, aber nicht kulturell.“

Die jungen Bechers wohnen in New York in der Nähe von China Town und Little Italy, einem Schmelztiegel der Einwanderung also. Und in der Nähe gibt es in Harlem jene schwarzen Cowboys, die nichts mit den weißen Cowboys aus dem Hollywood-Imperium zu tun haben wollen.

Ein Höhepunkt der Ausstellung sind die Ausstattungen in den Casinos in Las Vegas. Ihre Besitzer bauen gern die Stadt Venedig nach. Der Himmel ist auf die Decke im zweiten Stockwerk gepinselt, die Lagune ist künstlich. Robbins und Becher fotografieren die plane Fassade. Max erklärt: „Die Amerikaner reisen nicht viel, wenige haben einen Pass. Deshalb ist es für sie eine Gelegenheit, in Las Vegas einmal nach Venedig zu kommen.“

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