Filmpremiere am Kaukasus

Immer mehr internationale Koproduktionen entstehen mit Fördergeldern aus NRW. Bald startet ein ungewöhnliches Werk aus Georgien.

<strong>Tiflis. "Hallo, ich bin’s." Auch ohne diesen Satz hätten die Menschen ihn hier sofort wiedererkannt. Sie sprechen zwar kein Deutsch und Burghart Klaußner kein Georgisch, trotzdem begrüßen die Bewohner des Flüchtlingsheims den deutschen Schauspieler aufs Herzlichste. Aus den dunklen Verschlägen, die in den großen Betonklotz als einzelne Wohnungen eingebaut wurden, strömen die Menschen herbei, Hände werden geschüttelt, Wangen geküsst. Hier wurden vor zwei Jahren Teile des Films "Der Mann von der Botschaft" gedreht. Für alle Bewohner ein unvergessliches Ereignis. Endlich kam etwas "Action" in den tristen Alltag der abchasischen Flüchtlinge. Ihre politische Situation ist ungeklärt. Keiner will sie hier. Sie sind zwar Georgier, aber als Abchasen Fremde im eigenen Land.

Drei Koproduktionen mit Georgien hat die Filmstiftung NRW gefördert

Um einen Fremden geht es auch in dem Film "Der Mann von der Botschaft", eine deutsch-georgische Koproduktion, eine von dreien, die mit Fördergeldern der Filmstiftung NRW realisiert wurden. Klaußner spielt darin einen isoliert lebenden Botschaftsmitarbeiter in Tiflis, oder Tbilisi, wie die Hauptstadt eigentlich heißt. Erst als er das Straßenkind Sashka kennen lernt und sie bei sich aufnimmt, entwickelt sich zwischen den beiden eine Art Freundschaft. Doch die ungewöhnliche Beziehung stößt schnell auf Kritik und Vorurteile, bei den Botschaftskollegen genauso wie in der georgischen Gesellschaft. Der Film von Dito Tsintsadze ("Schussangst") erzählt einfühlsam von einer Annäherung zweier einsamer Menschen, von der Kommunikationslosigkeit unserer Zeit und von einem Tabu, das im Westen wie auch im Osten die Gemüter schnell erregt. Das Drama, das auf Festivals in über 40 Ländern zahlreiche Preise einheimste, feierte nun in Tiflis Premiere: ein von den Georgiern mit Spannung erwartetes Ereignis. Denn die Filmindustrie, die in dem von Bürgerkrieg gebeutelten Land darnieder lag, treibt gerade erste neue Knospen. Dazu gehört diese deutsch-georgische Koproduktion, die die Kölner Produktionsfirma Tatfilm gemeinsam mit der aus lauter jungen Georgiern bestehenden Sanguko Films realisierte. Sicher ein Wagnis. Produzentin Christine Ruppert war von Anfang an optimistisch. Schließlich hatte sie bereits bei "Schussangst" mit dem in Berlin lebenden Georgier Tsintsadze zusammengearbeitet. "Eine Koproduktion ist wie eine Hochzeit, man braucht Vertrauen dazu", sagt sie. Darauf könne man aufbauen. Der Großteil der 2,4 Millionen Euro teuren Produktion (930000 Euro kommen aus NRW) wurde in Tiflis gedreht, Innenaufnahmen und Special Effects in NRW. Dort feiert "Der Mann von der Botschaft" im November seine Deutschland-Premiere, bevor er am 29. November in den Kinos startet.

Ein Mitglied des Ensembles hat nicht nur Christine Ruppert in ihr Herz geschlossen: die mittlerweile 15-jährige Lika Martinova, die gerade mal 13-jährig das Straßenmädchen Sashka spielt. Androgyn, weder erwachsen noch ein Kind, liefert das Mädchen eine verblüffende Leistung.

Kein Wunder, denn sie spielt einen Teil ihrer eigenen Geschichte. Sie selbst lebte jahrelang auf den Straßen von Tiflis, bevor sie in das Flüchtlingsheim kam, wo Regisseur Dito Tsintsadze sie kennen lernte. Dort hauste sie unter erbärmlichen Bedingungen - was der Film eindrücklich zeigt. Likas Leben hat sich durch den Film verändert. Sie wohnt nun in einem Waisenhaus in Tiflis, lernt etwas Deutsch, um vielleicht einmal in Deutschland zu studieren. Nicht Schauspielerei, vielleicht eher Malerei, sagt sie schüchtern. Der Rummel um ihre Person ist ihr etwas unheimlich.

Geboren: 1949 in Berlin.

Theater: Engagements u.a. an den Schauspielhäusern in Hamburg, Zürich und Bochum. Seit 1996 führt Klaußner auch Regie. In Bochum brachte er zuletzt Yasmina Rezas "Gott des Gemetzels" auf die Bühne.

Filmrollen (Auswahl): "Rossini", "23", "Crazy", "Good Bye Lenin", "Die fetten Jahre sind vorbei", "Requiem", "Yella".

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