Tragikomödien halten Einzug in Cannes

Cannes (dpa) - Was hat ein Film über Immigration mit einer Tragikomödie über Depression gemein? Nicht viel, zumindest nicht auf den ersten Blick. Beides sind jedoch hochaktuelle Themen, die jeweils in den Filmen „Le Havre“ von Aki Kaurismäki und „Der Biber“ von Jodie Foster auf originelle Weise behandelt werden.

Beide wurden in Cannes am Dienstag präsentiert, beide wurden stürmisch gefeiert. „Der Biber“ lief außerhalb des Wettbewerbs. In dem Film, in dem Foster sowohl spielt als auch Regie führt, kommuniziert ein schwer depressiver Familienvater mit seiner Umwelt nur noch mit einem Biber, einer Handpuppe, die für ihn zum Sprachrohr wird.

Nach einem Selbstmordversuch entdeckt Walter Black (Mel Gibson) eine Marionette aus seinen Kindertagen. Die Flucht zum Kind-Sein hilft ihm zunächst, seine Krankheitssymptome zu überwinden, indem er in den Biber das hineinprojiziert, was er nicht mehr ist. Ein guter Firmenchef, Familienvater und Liebhaber. Walter kann ohne die über seine Hand gestülpte Puppe nicht mehr leben: Er geht mit ihr duschen, joggen und schlafen.

Doch was zunächst nach einigen Slapsticks wie eine Komödie beginnt, endet in einer Tragödie. Walter will sich von der Abhängigkeit von der Puppe befreien und unternimmt erneut einen Suizidversuch, nachdem ihn seine Frau Meredith (Jodie Foster) mit den beiden Söhnen verlassen hat.

„Der Biber“ ist eine gelungene Tragikomödie. Der Film hat von beiden Genres die richtige Dosierung. Zwischen humoristischen Szenen dringt immer wieder so viel Realität und Dramatik durch, dass das Thema der existenziellen Krise sich stets wie ein roter Faden durch den Film zieht.

Der Film ist nicht das erste Familiendrama mit Foster als Schauspielerin oder Regisseurin. „Schauspieler setzen sich gern mit der Psyche des Menschen auseinander, deshalb sind wir Schauspieler. Familie und existenzielle Krise sind Themen, die mich faszinieren“, sagte die 48-Jährige nach der Vorführung in Cannes.

In Fosters Film zeigt Mel Gibson, warum er zu einem der größten Schauspieler Amerikas gehört. Die Leistung des 55-Jährigen, der wegen privater Schwierigkeiten - Scheidung, Entziehungskur - längere Zeit pausierte und in keinem bedeutenden Streifen mehr zu sehen war, ist meisterhaft. Gibson feiert nach seiner Lebenskrise gewissermaßen mit diesem Film sein Comeback. „Nur er konnte Walters Psyche so verstehen und zum Ausdruck bringen. Ich glaube, Mel hat in diesem Film viel von sich selbst gezeigt“, erklärte Foster.

Auch Kaurismäki verpackt ein schweres Thema auf humoristische Weise, jedoch ohne Slapsticks, sondern auf trockenere, märchenhaftere Art. In dem Hafenstädtchen „Le Havre“ trifft Kaurismäkis Figur Marcel Marx auf einen jugendlichen Flüchtling aus Afrika und versucht zusammen mit seinen Freunden, dem Jungen zu helfen. Der Wettbewerbsbeitrag erzählt zwar von Hoffnung und Zusammenhalt beim Umgang mit Immigranten - der finnische Regisseur sieht die europäische Flüchtlingspolitik jedoch eher kritisch.

„Das Problem ist riesig“, sagte der 54-Jährige nach der Präsentation. Die Flüchtlingsströme seien für die europäischen Länder eine immense Herausforderung. „Wenn die Politiker mal aus ihren Hotelräumen und Mercedessen kämen, könnten sie vielleicht eine Lösung haben - aber sie scheinen nicht interessiert zu sein am realen Leben.“

Er selber habe keine Lösung für das Problem, sagte der Regisseur („Der Mann ohne Vergangenheit“, „Leningrad Cowboys Go America“). Es sei jedoch mehr erforderlich, als nur Geld in die Länder zu schicken, aus denen die Flüchtlinge kämen.

„Le Havre“ ist allerdings trotz der sozialkritischen Elemente kein harter, durchgängig ernster Film. Stattdessen gibt es auch hier - wie in Kaurismäkis früheren Werken - seinen einzigartigen lakonischen Humor. „Je skeptischer und zynischer ich werde, desto weicher werden meine Filme“, kommentierte Kaurismäki sein Werk. „In meinen alten Tagen werde ich eben weicher.“

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