Tarantino stellt „The Hateful 8“ in Berlin vor

Berlin (dpa) - Rache im wirklichen Leben? Keine gute Idee, findet Quentin Tarantino. „Im echten Leben ist Rache, was immer sie ist: eine Art von Dummheit“, sagt der für seine blutigen Rachefeldzüge im Film berühmte US-Regisseur („Inglourious Basterds“).

Tarantino stellt „The Hateful 8“ in Berlin vor
Foto: dpa

„Rache ist ein finsterer Wald, in dem man sich leicht verliert“, so der 52-Jährige. „Aber im Film ist Rache großartig!“

Wenn Tarantino, wie am Dienstag in Berlin, über seinen achten Film „The Hateful 8“ spricht, dann versprüht der Mann im Schlabber-T-Shirt und mit schwarzer Kapuzenjacke eine ungeheure Energie. Die ist im Pressekonferenzsaal auch noch in der letzten Reihe zu spüren - dort, wo als Gast ganz unauffällig Fußball-Bundestrainer Joachim Löw Platz genommen hat.

Aufmerksam lauscht er, was Tarantino über seinen blutigen Western zu erzählen hat, und macht ein paar Handyfotos. Löw habe gefragt, ob er an der Pressekonferenz teilnehmen könne, sagt eine Sprecherin der Film-PR-Agentur Aim. So unauffällig wie er gekommen ist, verschwindet Löw dann kurz vor Ende der Veranstaltung auch wieder.

Zur Deutschlandpremiere von „The Hateful 8“ hat Tarantino zwei seiner grandiosen Hauptdarsteller mitgebracht: Kurt Russell („Death Proof“) und Jennifer Jason Leigh („The Moment“), die in dem Western-Thriller zwei bis zum blutigen Ende schicksalhaft aneinandergekettete, einander hassende Charaktere spielen.

Tarantino hat sich als Schauplatz für seine Geschichte um Verbrecher, Kopfgeldjäger, einen Henker und einen vermeintlichen Sheriff die Zeit kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg ausgesucht. Während eines Schneesturms sitzen in einer einsamen Hütte in Wyoming sieben Männer und eine Frau fest, die sich allesamt hassen. Bis zum Showdown in einer wahren Gewaltorgie lässt Tarantino seine Figuren fast kammerspielartig in pointierten, ironischen Dialogen aufeinander los.

Tarantinos Filme haben weltweit eine riesige Fangemeinde. Trotz ihrer Darstellung von erbarmungsloser Gewalt? Oder gerade deswegen? „Seine Werke sind vor allem eins: Unterhaltung. Sie zählen zur Popkultur“, sagt Eike Wolf, der Sprecher von Studio Babelsberg, wo Tarantino „Inglourious Basterds“ drehte. Er empfiehlt, sich die Gewaltszenen mal in Zeitlupe anzuschauen. „Oft erfolgt noch vor der eigentlichen Gewaltszene ein Schnitt. Die eigentliche Gewalt findet im Grunde im Kopf des Zuschauers statt“, so Wolf.

„Einige Gewaltszenen werden bewusst überspitzt oder unrealistisch dargestellt.“ In einigen Kampfszenen in „Inglourious Basterds“ zum Beispiel sehe man, dass es sich um Puppen handele. „Ich bin mir sicher, dass Tarantino genau das wollte, das der Zuschauer das sieht und erkennt. Er offenbart sich damit und letztendlich kann man ihn aus meiner Sicht dann auch nicht mehr kritisieren, dass er Gewalt verherrlicht“, meint Wolf.

„Tarantino ist ein Fantast. Deshalb tut Gewalt bei ihm auch nicht einfach vordergründig weh oder schreckt einfach ab. Sie löst Gedanken und Gefühle aus, wirkt kreativ und ist dabei nicht real“, erklärt Alfred Holighaus, Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft SPIO und Ehrenmitglied der Deutschen Filmakademie, das Phänomen Tarantino.

Es geht um Tabubrüche, spielerische und ironische Gewaltlust, clevere Dialoge und die kreative Neuerfindung von Genres. „Tarantinos Filme funktionieren wie ein komplexes Kunstwerk“, sagt Professor Thomas Morsch vom Seminar für Filmwissenschaft der Freien Universität Berlin.

Tarantino, der vor der abendlichen Deutschlandpremiere von „The Hateful 8“ von seinen Lieblingsfilmen und der Schwierigkeit mit Kutschpferden am Set erzählt, würde gerne mal wieder in Deutschland drehen. Seit er während der Dreharbeiten für „Inglourious Basterds“ einige Monate in Berlin-Kreuzberg lebte, liebe er die Stadt. „Ich habe meine eigenen Erinnerungen von Berlin, meine eigenen Freundschaften hier und meine eigenen Eskapaden hier gehabt.“

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