Trauriger Abgesang auf ein verlorenes Volk

„Birdwatchers“ über den aussichtslosen Kampf der Ureinwohner um ihren Lebensraum.

Düsseldorf. Wie mit dem Lineal gezogen scheint die Linie zwischen Wald und Feld, die die Welt der Ureinwohner von der der Großgrundbesitzer trennt. Die Indianer stehen hinter dem Zaun: Betreten verboten.

Da, wo früher ihr Dorf war, liegt heute ein Acker. Der Dschungel ist gerodet, die Tiere, von denen sie gelebt haben, gibt es hier nicht mehr. Die Verzweiflung treibt viele der Guarani-Kaiowá in Brasilien in den Selbstmord. Allein vergangenes Jahr sollen es 34 gewesen sein.

Und so beginnt Marco Bechis’ beeindruckender Film "Birdwatchers - Im Land der roten Menschen" auch mit zwei Indianern, die mit einem Strick um den Hals im Wald baumeln.

Die anderen Stammesmitglieder begraben und beschimpfen sie, denn sie fürchten die bösen Geister, in die sich die Seelen der Selbstmörder verwandeln. Die Zerrissenheit dieser Menschen übersetzt der italienische Regisseur in kraftvoll-poetische Bilder. Und auch die Ambivalenz der Welt drumherum, die den Lebensraum der Indianer weiter schrumpfen lässt.

Da fahren ein paar Touristen, mit Kameras bewaffnet, den Amazonas entlang. Am Ufer stehen die Guaranis in Kriegsbemalung, nur mit Lendenschurz bekleidet und mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Die einen schießen Fotos, die anderen verharren ruhig als lebende Kulisse einer Klischeevorstellung. Ist das Boot vorbeigefahren, bekommen die Indianer Geld für die Vorstellung. Denn die Touristen sollen das bekommen, was sie sehen wollen.

Die Lebenswelt der Ureinwohner hat mit der Inszenierung am Ufer nichts zu tun. Sie leben in tristen Reservaten, weit weg von ihrem lebensspendenden Wald. Das soll sich ändern, beschließt Häuptling Nadio. Er kehrt mit seiner Sippe zu seinem alten Stammesgebiet zurück, das allerdings auf dem Land eines Großgrundbesitzers liegt.

Immer mehr Guaranis folgen, bis eine kleine Siedlung entstanden ist, immer unter dem missmutigen Blick der Farm-Mitarbeiter. Dass dieser Zustand nicht lange gut geht, kann man sich denken.

Bechis interviewte 800 Mitglieder der indigenen Gemeinschaften. Ihre Geschichten und Erfahrungen flossen in das Drehbuch ein. Er suchte sich Darsteller aus ihren Reihen, um seinen Spielfilm möglichst authentisch wirken zu lassen. So ist ihm ein Film gelungen, der berührt, ohne sentimental zu sein.

Den Konflikt bringt er in starken Kontrasten auf den Punkt. Er lässt die Welten aufeinander prallen, ohne ins Klischee abzudriften. Auf der einen Seite die Indianer mit ihren Mythen und Traditionen, aber auch mit Problemen wie Armut, Alkoholismus und Entwurzelung.

Auf der anderen Seite die Großgrundbesitzer, die auch ein Recht haben auf das Land, das sie seit Generationen bewirtschaften. Bechis vermeidet Schwarz-Weiß-Malerei, analysiert die Machtverhältnisse und philosophiert in wunderschön symbolischen Bildern über die Freiheit des Menschen.

Die beiden Welten sind nicht hermetisch abgeriegelt, immer wieder kommt es zu Annäherungen, die auf eine bessere Zukunft hoffen lassen könnten. Ein junger Schamane etwa lässt sich mit der Tochter des Großgrundbesitzers ein und lernt von ihr Mopedfahren.

Immer wieder wechselt der Film die Perspektiven, schenkt beiden Seiten Verständnis. Doch der Konflikt bleibt leider unausweichlich: "Birdwatchers" ist letztlich ein trauriger Abgesang auf ein verlorenes Volk.

Der Film läuft ab Donnerstag im Bambi-Kino, Klosterstraße, in Düsseldorf.

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