Roman-Verfilmung: Zeiten des Aufruhrs

„Zeiten des Aufruhrs“ zeigt das einstige „Titanic“-Traumpaar Kate Winslet und Leonardo DiCaprio wiedervereint – nicht in Liebe, sondern in blankem Hass.

Düsseldorf. Hach, war das schön, damals vor elf Jahren: Kate und Leo, das generationenübergreifende Traumpaar, die Vereinigung von Sex-Appeal und hoher Schauspielkunst.

Ein weltweites Einspielergebnis von 1,8 Milliarden Dollar machte "Titanic" zum erfolgreichsten Streifen aller Zeiten. Das Schiff sank, und zwei Stars waren geboren.

Doch sowohl Winslet als auch DiCaprio verweigerten sich fortan der Masse und spielten gegen ihre unliebsamen Herzschmerz-Images an. Künstlerisch entwickelte sie sich dabei beeindruckender als er, weil sich ihm in jeder seiner Rollen das Problem stellt, den Zuschauer erstmal davon überzeugen zu müssen, nicht der Milchbubi zu sein, als den ihn sein Gesicht preisgibt.

Meist gelingt ihm das zwar, die Beiläufigkeit und die Selbstverständlichkeit aber, mit der die Winslet ihre Rollen zu füllen vermag, erreicht der unentspannte Ehrgeizling DiCaprio beileibe nicht.

Auch in "Zeiten des Aufruhrs", ihrem ersten gemeinsamen Film seit ihrer Luxusliner-Liaison, ist dieses ungleiche Kräfteverhältnis spürbar. Er müht sich wieder redlich, letztlich auch mit Erfolg.

Die eigentliche Schau aber zieht sie ab, ist in jeder Sekunde eins mit ihrem filmischen Schicksal, das sich mit der geballten Rückstoßwucht der griechischen Tragödie über ihr zusammenbraut.

Als April Wheeler ist sie eine dieser Hausfrauen aus den 50er Jahren, die sich dem kollektiven Rollenbild von Heim, Garten und Nachwuchs unterzuordnen hat, während er, Gatte Frank, im Großraumbüro das Geld für die Hypothek eher absitzt, denn mit Leidenschaft erarbeitet.

Beide sind sie an ihren Träumen gescheitert, ohne sie je ernsthaft in Angriff genommen zu haben. Sicher, sie hat es zumindest versucht, arbeitete parallel zu Hausfrau- und Mutterwerdung als Schauspielerin.

Als sie erkennt, dass sie nicht das nötige Talent besitzt, vergräbt sie sich hinter Nähmaschine und Backblech, während er, gelangweilt von Job und frustriertem Heimchen, eine Schreibkraft anbaggert.

Aprils finaler Akt der Verzweiflung ist die Flucht nach vorn. Sie überredet Frank, mit ihr und den Kindern in Paris ein neues Leben zu beginnen.

Das Projekt Aussteigen hievt die zerrüttete Ehe zurück auf den Status des wohlwollenden Einvernehmens. Doch dann erfährt sie, dass sie zum dritten Mal schwanger ist. Und er, dass eine Beförderung bevorsteht.

"Zeiten des Aufruhrs", der Debütroman des lange vergessenen US-Romanciers Richard Yates (1926-1992), wurde in den USA in den vergangenen zehn Jahren wiederentdeckt.

Offenbar ist das Gefühl, zwischen beruflicher Pflicht, familiärer Verantwortung und Verwirklichung der Lebensträume zerrieben zu werden, auch heute, in der Post-Phase von Emanzipation und sexueller Befreiung, allgegenwärtig.

Sam Mendes drängte sich da als Regisseur für die Leinwand-Adaption des Stoffes geradezu auf, hat er doch vor zehn Jahren mit "American Beauty" das Jetztzeit-Pendant zum inneren Absterben hinter einer vermeintlich heilen Familienfassade geschaffen.

Genau das aber ist auch die Krux seines aktuellen Films. Mendes hat mit "American Beauty" zu diesem Thema einfach schon alles gesagt, die Tristesse des Alltags sogar mit zynischem Hintersinn gefüttert, was "Zeiten des Aufruhrs" als nacktem Dialogdrama gänzlich abgeht.

Mit abstoßender Nüchternheit schildert der Film den knallharten Zerfleischungsprozess zweier sich ehemals Liebender, zeigt leidende Mienen und leere Blicke in Großaufnahme, schafft aber keine emotionale Nähe zu seinen Protagonisten.

Mendes baut sie eher als Fallbeispiel auf, was auf den ersten Blick ambitioniert ist, den Zuschauer auf einer Strecke von 128 Minuten jedoch das Interesse verlieren lässt.

Das größte Problem allerdings, mit dem der Film zu kämpfen haben dürfte, ist die falsche Erwartungshaltung der breiten Masse, einem Traumpaar bei seinem Revival zuschauen zu dürfen.

Wer mit DiCaprio und Winslet im eisigen Ozean geschmachtet hat, wird nicht sehen wollen, wie zwischen ihnen nur noch blanker Hass regiert.

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