"Jack Reacher": Mann aus dem Nirgendwo

Tom Cruise verkörpert als „Jack Reacher“ den Romanhelden der Thriller von Bestseller-Autor Lee Child.

Düsseldorf. Es ist ein ruhiger Morgen in Pittsburgh: Ein Mann wartet auf einer Bank, neben ihm ein Strauß Blumen. Ein junges Mädchen geht mit einem Kind spazieren, eine Frau ist auf dem Weg zur Arbeit, sie scheint in Eile. Plötzlich: ein zischendes Geräusch, der Mann sackt zur Seite, die Passanten um ihn erstarren. Dann bricht die Frau zusammen, Panik macht sich breit.

Insgesamt fünf scheinbar wahllose Opfer wird das Massaker fordern, das ein Heckenschütze anrichtet. Auf einer Parkmünze findet das FBI Fingerabdrücke, die zu einem jungen Ex-Soldaten führen. In seiner Wohnung: die Tatwaffe. Der Fall scheint klar. Doch der Mann verweigert die Aussage. Er will Jack Reacher sprechen. Leichter gesagt, als getan: Dieser Reacher existiert in keinem Register. Nirgends. Trotzdem steht er einen Tag später in der Tür.

Der britische Autor Lee Child erfand 1997 die Figur des Jack Reacher, der seitdem Held in 17 seiner Thriller war. Er hat keinen Wohnsitz, keine Sozialversicherungsnummer, keine Familie und so gut wie keine Vergangenheit. Klar ist nur, dass er interner Ermittler beim Militär war. Nach seiner Entlassung tauchte er unter. Warum, will Helen Rodin (Rosamund Pike), die Pflichtverteidigerin des Verdächtigen, bei einem Kaffee von Reacher (Tom Cruise) wissen. Erst, antwortet er, war es eine Herausforderung, dann wurde es zum Sport, irgendwann zur Sucht.

Mehr wird der Zuschauer nicht über ihn erfahren, und das ist in Zeiten, in denen immer mehr Leinwand- und TV-Ermittler mit ihren Traumata, Zwangsneurosen und verkorksten Beziehungen wie wandelnde Sozialklischees wirken, eine angenehme Abwechslung.

Überhaupt beschränkt sich Regisseur und Drehbuchautor Christopher McQuarrie („Die üblichen Verdächtigen“) darauf, den Kriminalfall ohne störende Nebenschauplätze zu erzählen. Souveräne Darsteller, pointierte Dialoge, falsche Fährten, aufreibende Verfolgungsjagden — „Jack Reacher“ hat den altmodisch soliden Charme, den gute Episoden von US-Krimiserien bisweilen verströmen. Der Film ist kompakt erzählt, durchgehend spannend, aber eben auch ein wenig austauschbar. Nachhaltig ist nur der Auftritt der deutschen Regie-Legende Werner Herzog als Bösewicht — weil er so bizarr ist.

In der Romanvorlage von Childs wird der unkonventionelle Ermittler Reacher als großgewachsen beschrieben. Ausgerechnet auf Hollywoods laufenden Meter Tom Cruise zurückzugreifen, scheint da eine glatte Fehlbesetzung. Tatsächlich verkörpert Cruise aber alle anderen literarischen Eigenschaften der Vorlage: Er wirkt jugendlich, obwohl er die 50 schon von hinten sieht. Er ist stoisch, wenn es darum geht, seine Ziele zu verfolgen. Und er ist menschenscheu. Cruise setzt noch ein wenig lakonischen Alleskönner-Charme drauf. Fertig ist der Serienheld.

An ihm liegt es auf jeden Fall nicht, dass es trotz 16 weiterer möglicher Fälle mit einer Fortsetzung schwierig werden könnte. In den USA blieb der Film an den Kinokassen hinter seinen Erwartungen zurück. Manche vermuten, der Film litt darunter, nur wenige Tage nach dem Amoklauf von Newton herausgekommen zu sein. Vielleicht liegt’s aber auch einfach daran, dass er zu unspektakulär für die Leinwand ist.

Wertung: Vier von fünf WZ-Punkten

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