Interview mit Mickey Rourke: „Ich lebte wie ein Monster“

Am Mittwoch kommt „The Wrestler“ mit Mickey Rourke ins Kino. Hier erzählt er, wie er den Weg aus der Gosse zurück fand.

WZ: Herr Rourke, für "The Wrestler" wurden Sie mit Auszeichnungen überschüttet. Wie fühlen Sie sich?

Mickey Rourke: Glücklich und sehr dankbar für die zweite Chance. Das schulde ich Regisseur Darren Aronofsky. Der wollte "The Wrestler" unbedingt mit mir machen. Ich hatte gehört, dass er ein schlauer Kerl ist, dass er großartige Filme macht. Als wir uns das erste Mal trafen, sagte er, er habe aber kein Geld, um mich zu bezahlen. Ich dachte: "Der ist auch noch irre!"

Rourke: Ich habe in meiner "zornigen Phase", wie ich es nenne, 13 Jahre lang nicht mit Bruce gesprochen. Dann sind wir uns zufällig begegnet und haben uns wieder öfter getroffen. Einen Song von Bruce für "The Wrestler" hätte ich mir gewünscht - aber das konnten wir uns mit unserem Low-Budget-Film nicht leisten. Daher schrieb ich ihm einen langen persönlichen Brief.

Rourke: Dass ich eine zweite Chance bekommen hätte. Dass ich in der Vergangenheit sehr destruktiv war, durchgeknallt. Dass ich immer dachte, ich wäre nur zornig - und dann 15 Jahre und einen guten Therapeuten brauchte, um ins Reine zu kommen.

Rourke: Ich habe mich als Kind für etwas geschämt, dann wurde aus der Scham pure Wut. Ich habe in jedem Menschen einen Feind gesehen. Irgendwann musste ich mich meinen Problemen stellen. Wenn man heute sagt, ich würde "ein Comeback erleben" - das hasse ich! Sie haben ja keine Ahnung, wo ich war. Oder wie man sich dort fühlt.

Rourke: Ganz unten. In der Gosse. Ich lebte wie ein Monster.

Rourke: Klar. Keiner wollte was mit mir zu tun haben.

Rourke: Randy hatte nicht mein Glück. Er bekam weder eine neue Chance noch traf er einen Seelenklempner, der ihm half. Aus ihm würde nie mehr ein Star werden. Er ist eine verlorene Seele.

Rourke: Schon nach zehn Tagen wusste ich: "Wow - das ist der beste Film, den ich je gedreht habe!" Nach weiteren zehn Tagen dachte ich: "Aronofsky ist nach Michael Cimino der beste Regisseur, mit dem ich je gearbeitet habe! Darren wusste, wie er mich aus der Reserve locken und alles aus mir herausholen konnte.

Rourke: Jeden Tag! Ein Wrestler trainiert knapp zehn Jahre, bis er sich so umherschmeißt. Ich hatte aber nur drei Monate. Wenn ich fiel, fiel ich wie ein Ziegel. Ich ging jeden Abend fluchend nach Hause. Ich habe in diesen drei Monaten mehr Zeit bei Ärzten verbracht als in den zehn Jahren beim Boxen!

Rourke: Boxen verhält sich zu Wrestling etwa so wie Fußball zu Pingpong. Zuerst hatte ich nur Verachtung dafür übrig. Ich dachte: Ist bloß Unterhaltung, aber kein Sport. Ich hatte unrecht. Man schmeißt sich umher, damit das Publikum johlt. Wrestler verletzen nicht die anderen, sondern sich selbst. Mit vierzig sind die meisten Krüppel und sitzen im Rollstuhl. Sie haben aber nur selten jemanden, der sich um sie kümmert. Sie leben für den Moment und ihren Ruhm.

Rourke: Das Boxen war meine große Liebe und mein erster erlernter Beruf. Mit elf habe ich schon in Miami trainiert, in derselben Halle wie Muhammad Ali. Mit 16, nach einer Gehirnerschütterung, habe ich aufgehört. Ich wollte mich nicht zerstören. Für diese Angst habe ich mich aber immer geschämt, als hätte ich gekniffen. Darum musste ich wieder in den Ring: um mich wieder wie ein Mann zu fühlen.

Rourke: Ich hatte Riesenschiss! Nach so langer Zeit zurück! Ich war mir sicher: Die Party ist vorbei. Du bist Vergangenheit.

Rourke: So ziemlich alles! Ehrlich - es gibt kaum etwas, das ich nicht bereue! Das wird eine verdammt lange Aufzählung! Früher habe ich bei einem Rollenangebot nur gefragt: "Was zahlt Ihr?" Drehbuch oder Regisseur waren mir egal. So möchte ich mich nie mehr aufführen.

Rourke: (grinst) Hey klar! Wir leben doch nur einmal!

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