Harry Potter: Zauber-Teenies allein im Wald

Der Abschied von Harry Potter und seinen Freunden Ron und Hermine beginnt – drückend düster und liebevoll ausstaffiert.

Draußen wütet der Krieg, und Harry Potter (Daniel Radcliffe) bittet zum Tanz. Sein Mentor Albus Dumbledore ist tot, der Kampf gegen seinen Erzfeind, Lord Voldemort (Ralph Fiennes), scheint verloren. Sein bester Freund Ron (Rupert Grint) hat mit ihm gebrochen.

Das Radio vermeldet täglich neue Schreckensmeldungen von verschwundenen Weggefährten und deportierten Verbündeten. Trotzdem oder gerade deswegen fordert er Hermine (Emma Watson) zu einer Tanzeinlage auf - zu einem Song von Nick Cave, einem Großmeister des morbid Melancholischen.

Es ist eine der schönsten Szenen im ersten Teil von "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes". Sie ist wohltuend kitschig und leider nur von kurzer Dauer: Auch wenn aus voller Kehle gelacht wird und die Freunde sich dadurch gegenseitig Halt geben, bleibt alles um sie herum grau und unnahbar.

Kein Sonnenstrahl will mehr durch die dunkle Wolkendecke dringen, der gesamte Film wirkt, als hätte man einen benutzten Rußfilter über die Szenerie gelegt. Man spürt als Zuschauer förmlich das Verderben, das der Unaussprechliche über das Land gebracht hat. Leben in Zeiten der Diktatur. Für Kinderfantasien ist hier kein Platz mehr.

Denn der Terror ist real geworden, die Zauberschule Hogwarts und das Zauberei-Ministerium werden von Voldemorts Schergen kontrolliert, Muggel werden bedroht, Andersdenkende erpresst, Halbblüter aus dem Verkehr gezogen.

Um dem dunklen Lord Einhalt zu gebieten, müssen Harry, Hermine und Ron zu Ende bringen, was im vorherigen Teil begonnen wurde: die Jagd nach den sieben Horkruxen, symbolträchtigen Gegenständen, in denen Voldemort Teile seiner Seele versteckt hat.

Als 2007 der letzte der sieben Potter-Bände (Cover: Carlsen-Verlag) erschien, war sein größtes Problem die erzählerische Eintönigkeit. Während Joanne K. Rowling in den Vorgängerbüchern allwissend die Fäden in der Hand hielt, fokussierte sie das Finale größtenteils auf drei Teenies allein im Wald.

Der Film übernimmt diese eingleisige Dramaturgie: Auf der Flucht vor den Todessern, Voldemorts Gefolgsleuten, muss das Helden-Trio stetig seinen Standort wechseln, immer neue Schutzzauber aussprechen, um nicht entdeckt zu werden. Monatelang passiert nichts Nennenswertes, kein Horkrux in sicht. Kein Wunder, dass Ron irgendwann der Lagerkoller packt und er Harry und Hermine eine Affäre unterstellt.

Was unterdessen auf der Zauberschule passiert, erfährt man nur aus Nebensätzen. Dabei wäre es durch das Aufsplitten des letzten Bandes auf zwei Filme (Teil zwei startet im Juli 2011) möglich gewesen, genauer zu schildern, was im Buch nur angedeutet wird. Doch Drehbuchautor Steve Kloves bleibt der Vorlage sklavisch treu, was wohl auch an den strengen Auflagen der Autorin liegt.

Der entschleunigte Grundton hat aber letztlich eher Vorteile: Das von Rowling filigran gesponnene Beziehungsnetz der Potter-Welt und die liebevolle Charakterzeichnung der Figuren blieb in den Vorgängerverfilmungen immer etwas auf der Strecke, weil die dicken Wälzer fürs Kino auf ihre Schauwerte reduziert werden mussten.

In diesem Potter-Film ist endlich die Zeit für intime Momente zwischen den Hauptfiguren. Das macht die Geschichte, der aschfahlen Stimmung zum Trotz, lebendiger.

Und konzentriert den Blick auf die Heldengeschichte, die nach und nach sämtliche lose liegenden Handlungsfäden aufnimmt und sie kunstvoll miteinander verwebt: Godric Gryffindors Zauberschwert, die Fähigkeiten der Hauselfen, die Art, wie Harry seinen ersten Schnatz fing - alles fügt sich sinnhaft zu einem dramatischen Finale. Und das Ende hat gerade erst begonnen.

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