Farce: Das Leben ist ein gigantischer Witz

„Die Geschwister Savage“ ist eine boshaft komische Selbstfindung.

Stolz darauf, auf eigenen Füßen zu stehen, leben die Geschwister Wendy (oscarnominiert: Laura Linney) und Jon Savage (Philip Seymour Hoffman) fernab der Vorstadthölle ihrer Kindheit. Sie ist Bürokraft in Buffalo, er Dramatiker in New York.

Von ihrem verhassten Vater Lenny (Philip Bosco), der sich bei einer vermögenden Witwe im Rentner-Paradies Sun City eingezeckt hat, haben sie seit Jahren nichts gehört. Die überraschende Nachricht, dass seine Lebensgefährtin gestorben ist, führt sie wieder zusammen.

Doch bleibt es leider nicht bei einer pflichtgemäßen Stippvisite. Widerwillig nehmen Wendy und Jon zur Kenntnis, dass ihr Vater, von Parkinson und Demenz im Frühstadium gezeichnet, das Haus verlassen muss, weil die Erben es verkaufen wollen. Beide versuchen, ihr Alltagsleben von der zusätzlichen Belastung nicht beeinflussen zu lassen.

Deswegen suchen sie als erstes ein Heim, in das sie ihren Vater abschieben können. Leider brechen sich mit der sterilen Trostlosigkeit eines jeden potenziellen Wohnstifts, den sie besichtigen, das schlechte Gewissen und ein Restgefühl von familiärer Liebe Bahn.

Ermattet müssen die Geschwister erkennen, dass ihr bisheriges Dasein lediglich aus Flucht und Verdrängung bestand, ihre jeweiligen Lebensentwürfe unter dem existenziellen Druck, den das schleichende Ende ihres Erzeugers aufbaut, wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt.

Mit einem feinfühligen, teilweise derben, letztendlich aber extrem lebensweisen Humor, der in Form des Drehbuchs für den Oscar nominiert wurde, schickt Autorenfilmerin Tamara Jenkins ("Hauptsache Beverly Hills") ihre beiden Protagonisten auf die Suche nach sich selbst.

Wendy fühlt sich zu Höherem geboren und versucht seit Jahren, ein Stipendium für ein Forschungsprojekt zu ergattern. Mit jeder Absage, die ihr ins Haus flattert, wächst der Frust, den sie mit ihrem sexuell ausgehungerten Nachbarn beim schematischen Liebesspiel abschütteln will. "Wir leben in einem Klischee", klagt sie postkoital. Nur, um ihn beim nächsten Mal wieder ranzulassen.

Jon hat auf kreativer Ebene schon Erfolge gefeiert, verschanzt sich aber in einem selbst gezimmerten Elfenbeinturm, in dem er sich selbstgefällig einredet, an seinem aktuellen Stück voranzukommen, während die Arbeit schon seit Jahren stagniert. Dieser Selbstbetrug hat nicht zuletzt seine große Liebe verscheucht.

Ohne, dass es ihnen bewusst wäre, befinden sich die Existenzen der beiden Geschwister an einem Scheideweg, an dessen Gabelung sie seit ihrem Wegzug aus dem Elternhaus stehen geblieben sind. Die gezwungene Auseinandersetzung mit dem Altern ihres Vaters, lässt sie einen ersten zaghaften Schritt tun - bis sie merken, dass eine aktive Lebensgestaltung gar nicht so schwer ist. Das Klischee bleibt trotzdem. Sonst wäre es kein Leben.

(WZ-Wertung: 4 von 5 Sternen)

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