Biennale in Venedig: Amerikaner besetzen den Lido

In Venedig zeigen Brad Pitt mit „Jesse James“ und Paul Haggis die Folgen des Irak-Krieges für die US-Gesellschaft.

Venedig. Am Morgen danach offenbart sich die hässliche Seite des Glamours, und die Straßenreinigung vor dem Festivalpalast hat viel zu tun. Fans von Brad Pitt harrten hier fast zwölf Stunden aus, um den besten Platz am roten Teppich und ein Foto von dem Star und seiner Partnerin Angelina Jolie zu ergattern. Dementsprechend viel Müll haben sie hinterlassen.

Pitt präsentiert am Lido seinen neuen Film: "The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford" (Die Ermordung von Jesse James durch den Feigling Robert Ford). Die Plakate am Lido zeigen den Blondschopf als düsteren Killer im Sepia-Look. Bei der Pressekonferenz jedoch sah der Star eher aus wie "Ocean’s 13" entsprungen: im beige-schimmernden Zweiteiler, den Hemdkragen lässig über das Revers gelegt, beantwortet er geduldig auch die belanglosesten Fragen zu seinem neuen Werk, bei dem er neben Ridley Scott und anderen auch als Produzent auftritt.

Der mit zweieinhalb Stunden etwas lange Neowestern besticht vor allem durch seine intensive Charakterzeichnung von Jesse James (Brad Pitt) und seinem Mörder Robert Ford, dem der junge Casey Affleck verstörend psychopathische Züge verleiht. Dessen Motive, den berühmten Gangster wehrlos von hinten abzuknallen, entfalten sich in einem elegisch erzählten Psychogramm, das eher den Mörder ins Zentrum rückt als Jesse James selbst. Pitt gibt ihm die rastlos-misstrauische Aura eines Einzelgängers, ohne den Mythos zu entzaubern.

Auch bei Journalisten scheint der Superstar jegliche Hemmschwellen auszuschalten. Am Ende der Pressekonferenz stürmt die Meute zwecks Autogramm und Handy-Foto so vehement auf ihn zu, dass er zunächst verschreckt zurückweicht. In Venedig gondeln in diesem Jahr so viele amerikanische Stars herum wie noch nie: George Clooney, Johnny Depp, Jude Law, Charlize Theron, Woody Allen, Susan Sarandon, Richard Gere - alle zeigen sich gerne bei diesem Filmfest, das das Leben mit der Kunst so zwanglos verbindet, wo der feine Sandstrand gleich hinter dem Kino anfängt.

Marco Müller, der das Festival in diesem Jahr zum letzten Mal leitet, hat noch einmal alle Geschütze aufgefahren. Sicher auch, um zu zeigen, dass Venedig und nicht Rom (mit seinem neuen Festival, das es seit letztem Jahr gibt) die Nummer eins in Sachen Film in Italien ist. Neun der 22 Filme, die um den Goldenen Löwen streiten, kommen aus den USA - ein Rekord. Bisher ist kein Totalausfall dabei.

Zwei Filme beschäftigen sich mit dem Irak-Krieg - oder besser mit den Folgen: Brian de Palmas verstörender "Redacted", der zur Eröffnung lief, erzählt von der Vergewaltigung eines irakischen Mädchens durch Soldaten, die das Mädchen und seine Familie anschließend umbrachten. In Videoclip-Manier zollt er auch dem Phänomen Tribut, dass es dank Handys aus dem Irak-Krieg so viele Bilder und Filme gibt wie sonst noch nie.

Auch in dem beeindruckenden "In the Valley of Elah" von Paul Haggis spielen solche Bilder eine Rolle. Tommy Lee Jones ist als ein Vater zu sehen, der seinen Sohn sucht. Dieser war gerade mit seiner Einheit aus dem Irak zurückgekehrt und kurz darauf verschwunden. Selbst ehemals in der Army, kennt der Vater die Strukturen bestens, die es so schwer machen, den Fall zu klären, als die verstümmelte Leiche seines Sohnes gefunden wird. In einer Polizistin (gespielt von Charlize Theron) findet er eine Verbündete, die ihm hilft, seinen Schmerz, seine Wut und Ohnmacht zu verarbeiten.

Das Festival Noch bis kommenden Samstag läuft die Filmbiennale in Venedig. Am Ende werden die Goldenen Löwen vergeben.

Ehrenlöwe Die Auszeichnung erhält in diesem Jahr Tim Burton , dessen neue 3D-Fassung seines "Nightmare before Christmas" in Venedig zu sehen ist.

Filme 22 Werke laufen im Wettbewerb. Deutsche Filme sind nicht dabei.

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