„Die Anwälte“: Bruderschaft dreier Politiker

„Die Anwälte“ erzählt die Biografien der 68er-Ikonen Schily, Ströbele und Mahler.

Düsseldorf. Es ist ein illustres Foto aus dem Jahr 1972, das dieser Doku als Beleg für die schicksalhafte Bruderschaft der Politiker Schily, Ströbele und Mahler dient. Die drei Sympathisanten der 68er-Bewegung sitzen in einem Berliner Gerichtssaal: Otto Schily und Hans-Christian Ströbele verteidigen den radikalisierten Horst Mahler.

Der Vorwurf: Er habe der RAF Waffen geliefert und selbst Molotow-Cocktails geworfen. Die Filmemacherin Birgit Schulz zeigt die ikonische Szene zu Beginn ihrer Dokumentation "Die Anwälte - eine deutsche Geschichte" - perfekter Einstieg.

Ihr Film ist eine biografische Studie dieser drei widersprüchlichen Figuren, die zum Zeitpunkt der Studentenrevolten befreundet waren. Sie arbeiteten im linken Milieu und unterstützten die außerparlamentarischen Opposition. Dennoch verloren sie sich bald aus den Augen.

Spätestens in den 1990er Jahren stehen sie sich schließlich als politische Antagonisten unversöhnlich gegenüber. Schily hat sich als SPD-Innenminister zum Verfechter von Gesetz und Ordnung entwickelt. Mahler, der krankhafte Staatsfeind, ist in die verfassungsfeindliche Neonazi-Szene geraten.

Später wird er sogar als Holocaust-Leugner inhaftiert. Nur Ströbele ist sich treu geblieben. Als Bundestagsmitglied der Grünen hütet er die Werte der Studentenbewegung wie ein Kind seinen Schatz - Pazifismus, Bürgerrechte, Kapitalismuskritik. Birgit Schulz verschränkt die Geschichten dieser Männer miteinander.

Sie zeigt grobkörniges Archivmaterial, etwa von den Stammheim-Prozessen am Vorabend des Deutschen Herbstes, mit Verteidiger Schily als brillantem Rhetoriker. Immer wieder streut sie Ausschnitte aus Interviews ein, die sie mit den einstigen Weggefährten geführt hat. Diese verteidigen ihre Karrieren und deren zum Teil eigentümliche Wendungen. Sie wirken aber überraschend altersmilde.

Die Machart des Films ist unaufdringlich und liefert das Gegenprogramm zum emotional überhitzten Entertainment der Guido-Knopp-Schule. Weder erklingen aus dem Off raunende Erzählerstimmen noch pathetische Klangkulissen. Stattdessen ist das Ganze geschmackvoll arrangiert.

Dank einer sachten Schnitt-Technik wird die Gegenwart stimmig mit ferner und naher Vergangenheit verwoben. Die karge Instrumental-Musik des Elektro-Projekts Pluramon tut ihr übriges, um den sachlichen Stil der Dokumentation zu unterstreichen.

Für den Zuschauer bleibt die Erkenntnis, dass Schily, Ströbele und Mahler das historische Glück bestens zu nutzen wussten, inmitten der Tumulte der späten 60er, frühen 70er Jahre die gesellschaftliche Bühne betreten zu dürfen. Diese Bühne, sie wurde allen Dreien zum willkommenen Trittbrett für filmreife Lebensläufe. Wertung: 4 von 5 Punkten

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