„Kunst ist Provokation“

Der Filmemacher Werner Schroeter über seine umstrittenen Werke und seine Krankheit.

Herr Schroeter, Ihre Beziehung zu Deutschland war beruflich immer ein bisschen schwierig. Haben Sie denn das Gefühl, jetzt hier angekommen zu sein?

Schroeter: Ich hatte immer eine große Sehnsucht nach dem Fremden, nach dem schönen Anderen. Das hat mich dazu gebracht, mich in der Welt umzugucken und meistens durfte ich dann da auch arbeiten - in Italien, in Frankreich, dann auch in Südamerika. Aber was Deutschland anlangt, habe ich ja hier so eine Theaterfamilie gefunden. Denn die Arbeitsbedingungen, die wir zumindest zeitweise hier am Theater hatten - ohne Beschränkungen, ohne Auflagen - das war eine künstlerische Heimat. Und da war die Verbindung mit Deutschland dann sehr stark.

Schroeter: Da es die Minderheit ist und es meine Arbeit bisher nicht gestört hat, ist es mir auf gut Deutsch gesagt wurscht. Aber es ist ja nicht so, dass man sich nicht differenziert mit meiner Arbeit beschäftigt hat. Es geht um ein Spiel mit der Gefahr, ein Spiel mit den Grenzen. Und Sie können doch nicht verlangen, dass jeder alles versteht, was ich mache.

Schroeter: Ich bitte Sie! Es gibt niemanden, der alles in der Kunst versteht. Wenn man etwas schafft, sei es Theater, Bilder, Film, dann ist das ein autonomer Vorgang, den man mit Herz und Gewissen und Verstand und Kreativität macht. Und wer daran denkt, damit das Publikum zu fangen und auf einfachste Weise mit ihm zu kommunizieren, sollte sich nicht Künstler nennen. Die Kunst umgibt immer ein Rätsel. Sie ist Anregung und im besten Sinne Provokation. Wenn ich arbeite, denke ich nicht daran, dass ich etwas erklären will. Das degradiert die Kunst zur Enzyklopädie. Das mag ich nicht.

Schroeter: Ich kann doch nicht eine einzige Botschaft geben. Die Verschlüsselung von vielen, vielen einzelnen Mitteilungen, von Lebensauffassungen, von Träumen und Utopien, das fließt in ein Kunstwerk ein. Und die Dechiffrierung ist dem Zuschauer überlassen.

Schroeter: Ich bin ja, so denke ich jedenfalls, ein überzeugter Christ. Der Glaube ist ein Bestandteil in meinem Leben. Aber es ist nicht in den Vordergrund getreten, weil ich jetzt eine schwierigere Phase habe mit einer Krankheit. Es hat sich einfach im Laufe der Jahre für mich immer mehr als hilfreich herausgestellt.

Schroeter: Wenn ich in Berlin bin, bin ich mit meiner Lebensgefährtin zusammen. Ich lebe aber eigentlich in Portugal. Wir sind kein Liebespaar, wir sind Lebensgefährten. Die Homosexualität ist nicht mein Spezialthema. Ich habe das erstaunlicherweise immer mit einer gewissen Selbstverständlichkeit leben können, und das ist mir erhalten geblieben.

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