Feilschen um Nobelpreisträger

Mario Vargas Llosa war 30 Jahre lang bei Suhrkamp. Und warum wechselt er jetzt zu Rowohlt?

Berlin/Madrid. Walser, Kehlmann, Ruiz Zafón - und jetzt auch noch Mario Vargas Llosa: Der Suhrkamp Verlag verliert mit dem Weggang des diesjährigen Literatur-Nobelpreisträgers erneut einen prominenten Schriftsteller. Der Peruaner wird sein jüngstes Werk "El sueño del celta" (Der Traum des Kelten) bei Rowohlt im September 2011 auf Deutsch herausbringen. Suhrkamp, maßgeblich am Erfolg der Literatur aus Spanien und Lateinamerika in Deutschland beteiligt, hat 26 Titel von Vargas Llosa im Programm - ausgerechnet das Buch nach der Nobelpreiskür wandert nun zur Konkurrenz.

"Der Wechsel ist Ergebnis eines harten Bieterwettbewerbs", sagt Suhrkamp-Sprecherin Tanja Postpischil. Bis zuletzt habe sich das Feilschen um den Peruaner hingezogen - ein Hinweis darauf, dass Vargas Llosas spanische Agentin Carmen Balcells nach der Nobelpreis-Bekanntgabe hoch gepokert hat.

Ob Vargas Llosas "Die Stadt und die Hunde" und "Das Fest des Ziegenbocks" oder Isabel Allendes "Geisterhaus"- mit lateinamerikanischen Autoren konnte Suhrkamp immer gut Geld verdienen, nicht zuletzt dank Michi Strausfeld, die sich als "Literaturscout" jahrelang um die Schriftsteller kümmerte. 2008 ging sie zum S. Fischer Verlag - und mit ihr auch Carlos Ruiz Zafón und sein Bestseller "Das Spiel des Engels". Für Vargas Llosa habe aber S. Fischer nicht geboten, sagte Strausfeld jetzt auf Anfrage. "El sueño del celta" war am Mittwoch mit einer Startauflage von einer halben Million Exemplaren auf den spanischsprachigen Markt gekommen.

In der gerüchtefreudigen deutschen Buchbranche wird der Verlust von Vargas Llosa als "Katastrophe für Suhrkamp" und Ausdruck eines verlegerischen Richtungswechsels gewertet. Vermutlich, so wird spekuliert, habe Suhrkamp sich schon vor der Nobelpreisvergabe von ihm getrennt. Es sei peinlich gewesen, dass am Verlags-Stand auf der Frankfurter Buchmesse kein einziges Buch von ihm griffbereit gewesen sei. Und Suhrkamp-Chefin Ulla Berkéwicz soll allzu deutlich ihre Vorliebe für den Israeli Amoz Oz ausgedrückt haben.

Der Weggang von Michi Strausfeld "im Bösen" sei ein Indiz dafür, dass die lateinamerikanische Literatur bei Suhrkamp nicht mehr den Stellenwert habe wie früher zu Zeiten des Patriarchen Siegfried Unseld, sagt ein Branchenkenner. "Es stellt sich die Frage, ob Suhrkamp überhaupt noch Lust hatte, für die Lizenzausgabe von Vargas Llosas neuem Roman 150 000 oder 200 000 Euro auszugeben - in jedem Fall war es eine finanzielle und verlegerische Fehlentscheidung."

Der jüngste Wechsel ist aber auch Folge eines verschärften Wettbewerbs in der Buchbranche. Verlage setzen immer stärker auf einzelne Spitzentitel: Bei diesen sind sie bereit, viel für die Rechte zu bezahlen und entsprechend in das Marketing zu investieren. Der neue Vargas Llosa dürfte für Rowohlt ein guter Griff sein.

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