Ein Krimi wie das wahre Leben

Neue Wende im Erbstreit: Hat der Erfolgsautor die Salander-Romane gar nicht geschrieben?

Düsseldorf. Ein Journalist, der mit nur drei Kriminalromanen, alle erschienen erst nach seinem Tod, zu Weltruhm kommt. Ein bizarrer Erbstreit zwischen seiner Familie und seiner Lebensgefährtin um die Rechte am Welterfolg und um den Laptop des Autors.

Dann ein plötzlich aufgetauchtes Testament zugunsten einer kommunistischen Splittergruppe, und nun auch noch die "Enthüllung", dass der angebliche Autor seine Kriminalromane gar nicht selbst geschrieben haben könnte. Eigentlich ein Fall für Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist, den Helden von Stieg Larssons Roman-Trilogie "Verblendung", "Verdammnis" und "Vergebung", die seit Wochen unter den Top-Ten der deutschen Bestseller-Listen rangiert. Es geht um mehr als 15 Millionen Euro, und darin sind die Filmrechte noch gar nicht enthalten.

Als Stieg Larsson am 9. November 2004 im Alter von nur 50 Jahren in der Redaktion seines Magazins "Expo" an einem Herzinfarkt starb, hatte er drei seiner auf zehn Folgen angelegten Krimis fertiggestellt. Heldin ist die spindeldürre Lisbeth Salander, beziehungsunfähige Untergrundkämpferin, die mit falschen Pässen und unglaublichen Compu-terkenntnissen die Verbrechen von Kapital und Politik entlarvt.

"Ich kam auf die Idee mit Pippi Langstrumpf. Wie wäre sie heute als Erwachsene? Ich schuf sie als Lisbeth Salander", hatte Larsson vor seinem Tod geschrieben. Und der schwedische Leser findet auch Hinweise darauf im Text: So hat ihre Stockholmer Untergrundwohnung das Namensschild "V.Kulla". "Villekulla", das ist die "Villa Kunterbunt".

Nach Larssons Tod fiel das Erbe an dessen Vater und Bruder, mit denen der Autor aber nur wenig Kontakt hatte. Seine Lebengefährtin Eva Gabrielson, der Larsson seit 1972 und der gemeinsamen Arbeit im damaligen Vietnam-Komitee seiner nordschwedischen Heimatgemeinde Umea verbunden war, ging leer aus. Gabrielson rückte darauf den Laptop Larsssons nicht heraus - und der enthält Teile des vierten Romans und das Exposé des fünften. Um Laptop und Verwertungsrechte tobt nun ein schon fünfjähriger erbitterter Rechtsstreit.

Der wurde noch verwirrender, als ein Testament aus dem Jahr 1977 auftauchte, in dem Larsson verfügte, dass alles Geld, was er habe, "an die Umea-Ortsgruppe des Kommunistischen Arbeiterbundes fallen" solle. Da dem Testament die Beglaubigung fehlt, ist es rechtlich nicht bindend.

Die trotzkistische Gruppierung, der Larsson bis zu seinem Tod verbunden geblieben war, verzichtete und erklärte: "Stiegs Beziehung zu Eva sollte respektiert werden." Das löste eine politische Debatte in Schweden aus, ob eine Gesetzgebung, die die Ehe über andere Formen des Zusammenlebens stellt, nicht reformiert werden sollte.

Überraschend sind jetzt die Chancen von Gabrielson zusätzlich gestiegen. Zwei Ex-Kollegen Larssons, Kurdo Baksi und Anders Hellberg, erklärten Anfang des Jahres, aus ihrer gemeinsamen Arbeit wüssten sie, dass ihr Kollege keinen einzigen Satz geradeaus schreiben könne. Es sei ihnen ein Rätsel, wie er dennoch diese Romane haben schreiben können.

Ihre Theorie: Larsson sei für den Plot, Gabrielson für die Sprache verantwortlich. "So könnte man das sagen", erklärte darauf Gabrielson, die sich damit zumindest als Co-Autorin outete. Für die Familie wurde das zuviel. Man könne das ganze Geld "auch an die Kommunisten geben", drohten Vater und Bruder. Die besten Krimis schreibt vielleicht doch das Leben.

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