Frankfurter Buchmesse Die Frankfurter Buchmesse à la francaise

Das Gastland Frankreich steht im Mittelpunkt der Frankfurter Buchmesse, die ab morgen für Besucher geöffnet ist. Der Geist von Europa ist in jeder Halle deutlich zu spüren.

Frankfurter Buchmesse: Die Frankfurter Buchmesse à la francaise
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Frankfurt. „Un café, s’il vous plaît!“ Der eine oder andere muss wohl sein Schulfranzösisch wieder auffrischen, wenn er den Ehrengast-Pavillon auf der Frankfurter Buchmesse betritt. Auch in kulinarischer Hinsicht wähnen sich die Besucher auf einem französischen Wochenmarkt, es duftet nach Croissants, Lyoner Käse und anderen landestypischen Spezialitäten.

Die wahren Stars der Messe sind aber sie, die großen Namen und die Newcomer der französischen Literaturszene, die hier ihre Werke präsentieren. „Man hat das Konzept in diesem Jahr bewusst erweitert“, erklärt Katharina Hoernes, Sprecherin des Ausstellers Buchkontakt. „Da Frankreich ja schon einmal Gastland bei einer Buchmesse war, geht es diesmal um den gesamten französischsprachigen Raum. Beispielsweise sind auch afrikanische Schriftsteller vertreten.“

In Zeiten, in denen der Rechtspopulismus in weiten Teilen Europas grassiert und Nationalismus und Abschottung wieder salonfähig geworden sind, hat die Buchmesse durchaus einen politischen Anspruch. Die deutsch-französischen Beziehungen spiegeln sich hier auf vielfältige Art wider, wie der literarische Berater Frédéric Boyer erläutert: „Die Messe soll den Reichtum und die Bedeutung des literarischen Austauschs zwischen Deutschland und Frankreich aufzeigen. Sie wird die Neugier aufeinander und die Übersetzungen in beide Sprachen intensivieren“, ist er überzeugt. „Die deutsch-französischen Beziehungen sind vor allem kultureller, literarischer, künstlerischer und philosophischer Natur. Man tendiert zuweilen zu stark dazu, sie auf ihre rein politische und diplomatische Dimension zu beschränken.“

So haben etwa Michel Houellebecq („Elementarteilchen“, „Unterwerfung“), Leila Slimani („Schlaf auch du“) oder Yasmina Reza („Der Gott des Gemetzels“) entweder im Rahmen der Messe noch Auftritte angekündigt oder waren in den vergangenen Tagen schon live auf der Bühne zu erleben. Wie in jedem Jahr endet die Buchmesse nicht am Messeeingang, sondern vielfältige Kulturveranstaltungen erstrecken sich an weiteren Orten wie dem Schauspiel Frankfurt über das gesamte Stadtgebiet.

Auch für den gescheiterten SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz ging es gestern einmal nicht um Politik. Gemeinsam mit Autor und „Zeit“-Redakteur Nils Minkmar stellte er dessen Sachbuch „Geschichten aus einem freien Land“ vor — eine kenntnisreiche Studie über die ureigene Lebensart der Grande Nation. Hans-Theo Siepe aus Köln hat der Schulz-Auftritt gut gefallen: „Man merkt, dass Schulz ein versierter Frankreich-Kenner ist. Er nimmt ja selten ein Blatt vor den Mund, genau das finde ich gut.“

Im Pavillon geht es zweisprachig zu — bei den Lesungen und Diskussionsrunden liegen Kopfhörer für die Gäste bereit, mit Hilfe derer sie die Übersetzung in ihrer jeweiligen Landessprache verfolgen können. Deutsch-französisches Stimmengewirr bildet die akustische Kulisse im Pavillon — der europäische Geist wird hier lebendig und greifbar. Und dass das harte Geschäft des Übersetzens manchmal gar nicht so einfach ist, wird in einer Veranstaltung deutlich, in der ein Übersetzer dem Autor hingebungsvoll sein Leid darüber klagt, wie schwierig es ist, bestimmte Wortspiele und Redewendungen im Französischen treffend ins Deutsche zu übertragen. Oder wie, um Himmels Willen, soll man „un paresseux“ übersetzen? Die deutschen Zuschauer offenbaren mit ihren Vorschlägen die ganze Originalität der deutschen Sprache: „Faulpelz“, „Drückeberger“ und „fauler Sack“ gehören zu den Topfavoriten der Übersetzungsvorschläge.

Die Französin Annie Piehl-Larue, die mit ihrem deutschen Mann Ernst gekommen ist, zeigt sich begeistert von dem großen Angebot in französischer Sprache. Sie ist zum ersten Mal bei der Frankfurter Buchmesse. „Anfangs hatte ich Bedenken, dass man sich von den Eindrücken regelrecht erschlagen fühlt“, erzählt die 67-Jährige. „Aber man muss sagen, dass die Messe hervorragend organisiert ist. Überall gibt es etwas Neues zu entdecken und die Sitzmöglichkeiten sind so gestaltet, dass man gar nicht anders kann, als mit anderen Besuchern ins Gespräch zu kommen.“ Die zu beiden Seiten offenen Regale in der Halle erinnerten an ein Labyrinth, findet Piehl-Larue. „Man kann sich in den Büchern verlieren.“

An anderer Stelle diskutieren sechs französische Autoren über eine der wohl größten Hürden beim Schreiben eines Romans: die Suche nach dem perfekten ersten Satz. Denn er entscheidet darüber, ob ein Leser in die Geschichte hineingezogen wird oder das Buch schnell wieder aus der Hand legt. Dany Laferrière, dessen Roman mit dem provokativen Titel „Die Kunst, einen Schwarzen zu lieben, ohne zu ermüden“ ihn 1986 mit einem Schlag berühmt machte, geht bei seiner Arbeit jedenfalls nicht streng chronologisch vor. „Manchmal beginne ich auch erst mit dem zweiten oder dritten Satz“, erzählt der Autor. „Wenn man als Dritter bei einem Gespräch hinzustößt, fängt man auch nicht wieder vorne an, sondern man redet einfach weiter. Die Geschichte weist mir dann schon den Weg.“

Da man bei dem üppigen Programm leicht den Überblick verlieren kann, können sich die Gäste in diesem Jahr eine App herunterladen, mit der sie ihren Besuch planen können. „Eine praktische Sache“, findet eine Besucherin. Nur die Bücher, die sind glücklicherweise noch immer ganz analog zu genießen.

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