Die dunkelbraune Vergangenheit der Künstlerkolonie Worpswede

Zum 125. Geburtstag hinterfragen Kunsthistoriker erstmals umfassend die Rolle im nationalsozialistischen Kunstbetrieb.

Die dunkelbraune Vergangenheit der Künstlerkolonie Worpswede
Foto: dpa

Worpswede. Acht Jahrzehnte nach Beginn der Nazi-Herrschaft hat sich Worpswede in Niedersachsen auf die Suche nach braunen Verstrickungen in der Künstlerkolonie gemacht. Erste Ergebnisse sind ab Sonntag bei der Worpsweder Jubiläumsausstellung „Mythos und Moderne“ zu sehen. Zusammengetragen wurden sie im Laufe eines Jahres von der Kunsthistorikerin Katharina Groth und dem Kulturwissenschaftler Björn Herrmann. In Archiven, Privatsammlungen und Depots stießen sie auch auf manch verschollengeglaubtes Zeugnis der NS-Regimekunst.

Die Kuratoren möchten ein differenziertes Bild des „durchgeregelten nationalsozialistischen Kunst- und Kulturbetriebs“ zeichnen. „Man kann den Zeitraum 1933 bis 1945 nicht isoliert betrachten“, sagt Björn Herrmann. „1933 sind keine braunen Marsmännchen in Worpswede gelandet. Es hat mit den Verwerfungen der Weimarer Republik angefangen.“ In den 20er Jahren habe es in Worpswede neben etablierten Landschaftsmalern eine moderne Kunstszene gegeben, „die 1933 abgewürgt worden ist“.

„Es gibt immer Graustufen. Das ganze Spektrum zwischen Überleben, Anpassung und Mitmachen“, sagt Katharina Groth. Manche Künstler hätten „aus Überzeugung“, andere „aus wirtschaftlicher Notwendigkeit mitgemacht“. Unter den gemalten Anbiederungsversuchen seien „grauenvolle, heroisierende Werke“, sagt Herrmann. Die Motive reichten vom Reichsarbeitsdienst bis zur Gaukultstätte Stedingsehre.

„Belege für Widerstand haben wir nicht gefunden“, sagt Herrmann. In Worpswede habe es aber Fälle „indirekter Arbeitsverbote“ gegeben. Unliebsamen Künstlern seien die Bezugsscheine für Malmittel verweigert worden. „Jeder Pinsel, jede Farbe musste beantragt werden“, sagt Groth. Betroffene wie Albert Schiestl-Arding malten zeitweise mit Asche. Offiziell mit einem Arbeitsverbot belegt worden sei nur Tetjus Tügel.

Eine wichtige Rolle im NS-Kunstbetrieb spielte Fritz Mackensen. Der Mitbegründer der Künstlerkolonie und Lehrer von Paula Modersohn-Becker habe mit „Bauern, Torfkähnen und hohen Himmeln eine Schiene bedient, die sofort Anklang fand“, sagt Groth. Mackensen wurde 1933 zum Leiter der Kunsthochschule Bremen ernannt. Als Kurator der „Niederdeutschen Malertage“ habe er voll hinter dem Credo von „Blut und Boden“ gestanden.

worpswede-museen.de

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