Kunst Die Art Cologne ist auf Expansionskurs

200 Aussteller hoffen auf Europa, glauben an die Kunst-Hausse und ärgern sich über die Art Basel.

Blick in die Art Cologne: Cady Noland präsentiert „Chainlink“ bei Gagosian.

Blick in die Art Cologne: Cady Noland präsentiert „Chainlink“ bei Gagosian.

Foto: Oliver Berg/Hugo (Ausschnitt)

Köln. Der Optimismus auf den Aktienmärkten nach den Vorwahlen in Frankreich breitet sich auch auf der Art Cologne aus, die am Dienstag ihre Preview erlebte. Der Düsseldorfer Galerist Hans Strelow atmete jedenfalls tief durch, als er erklärte: „Emmanuel Macron steht für Europa. Wenn Frankreich ausscheren würde, wäre es auch ein Super-Gau für die Kultur.“

Pieter Hugo bei Paska Pasquer eine geschminkte Obdachlose aus Kalifornien.

Pieter Hugo bei Paska Pasquer eine geschminkte Obdachlose aus Kalifornien.

Foto: Oliver Berg/Hugo (Ausschnitt)

200 Kunsthändler aus 28 Ländern reagieren wie er, darunter Global Player wie David Zwirner, Hauser & Wirth und erstmals der Gigant Gagosian. Daneben warten blutjunge Kunsthändler mit der Ware von 25- bis 30-Jährigen auf ihr Geschäft. Die „Mutter aller Kunstmessen“ erfindet sich im 51. Jahr ihres Bestehens wieder einmal neu. Die Messe steht auf Expansionskurs, wie allein schon der 590 Seiten starke Katalog beweist.

Damit noch nicht genug, wird im September am Gleisdreieck in Berlin die Kölner Art Cologne bei der Berliner Kunstmesse Art Berlin Contemporary (ABC) einsteigen. Die Zusammenarbeit ist besiegelt. Die Neue nennt sich „Art Berlin“ und wird von Hug mit der Berliner Kollegin Maike Cruse durchgeführt. Dies ist ein geschickter Schachzug gegen die Art Basel, deren MCH Group in der Nachbarstadt Düsseldorf einsteigt und die neue Art Düsseldorf im November kapitalkräftig unterstützt.

Der Kampf ist damit entbrannt. Hug wetterte am Dienstag vor der Presse, die Schweizer hätten so eine Macht über den Kunstmarkt, dass sie viel regionale Kultur verdrängen würden. Mehr noch, er sagte: „Das ist auch eine Form von Kolonialismus, denn Basel hat schon jetzt erfolgreiche Ableger in Miami und Hongkong.“ Prompt kam noch am Dienstag das Dementi aus Basel. „Der Aufbau eines Portfolios von regionalen Kunstmessen ist eine unabhängige Initiative von MCH, in die die Art Basel nicht involviert ist“, so Kommunikationschef Christian Jecker.

Unabhängig von derlei Protesten und Dementis halten die Galerien der Art Cologne demonstrativ zu Hug. Der Galerist Klaus Schwarzer stand vor einem Jahrhundertbild von Willi Baumeister und jubelte sowohl über seine Trouvaille (für 560 000 Euro) als auch über Daniel Hug: „Ich ziehe meinen Hut vor der Arbeit dieses Mannes. Er hat der deutschen Messe ein internationales Profil gegeben. Es ist unendlich schwer, gute klassische Ware zu bekommen, aber für die Art Cologne lohnt sich die Mühe“, sagte er im Gespräch.

Lob und Tadel zeigen, wie sehr das Geschäft mit der Kunst von Hauen und Stechen begleitet wird. Das Akquirieren hochkarätiger Ware wird immens schwierig, denn nicht nur die Art Basel, sondern auch die Auktionshäuser lauern als Konkurrenten und hoffen auf immense Umsätze. Da ist es schon beispielhaft, wenn die Werke von Imi Knoebel und Gerhard Richter, Norbert Kricke und Tony Cragg bei Galerien aus den Rheinlanden angeboten werden, wo sie auch entstanden sind.

Die Messe in der Halle 11 ist wieder dreigeteilt. Im Untergeschoss residieren die Noblen mit der klassischen Moderne, im Mittelgeschoss die Platzhirsche mit der zeitgenössischen Kunst und oben die Jungen in der „Neumarkt“-Etage, die die Quadratmeterpreise von 40 000 Euro für hundert Quadratmeter Ausstellungsfläche nicht zahlen können, aber für die stets notwendige Verjüngungskur sorgen.

Es gibt Entdeckungen, etwa Ernst Thoms von den Hannoverschen Progressiven bei Derda oder der aus Deutschland verjagte Josef Scharl, der 1954 in New York gestorben ist, bei Hagemeier. Mit herausragenden Grafitzeichnungen lockt die Kounellis-Schülerin Christiane Löhr bei Taguchi. Luis Campaana hat seine Koje dem einstigen Hüppi-Schüler Dirk Skreber zur Verfügung gestellt, der mit seinen Tiefendifferenzen in den Bildschichten die Augen des Betrachters irritiert und der mit seiner Ironie zwischen Walen und Drohnen kaum unterscheidet.

Selbst auf dem Markt der Fotografie gibt es Neues. Bei Priska Pasquer wird der südafrikanische Pieter Hugo präsentiert, der ein Gespür für Subkulturen hat. Er erfasst die Spuren und Narben gelebter Biografie in den Obdachlosen-Porträts aus Kalifornien. Diese Unterwelt fasziniert mit ihrem theatralischen Outfit. Es ist, als hätten diese geschminkten Ladys eine Freude an ihrem erbärmlichen Zustand in der Gesellschaft.

Unweit von diesem Stand zeigt Brigitte Schenk mit Abdulnasser Gharem aus Saudi-Arabien den „ersten Sound-Künstler der arabischen Welt“, wie sie sagt. Maschinen rühren in Bottichen voller Tee und Lautsprecher übertragen die fast schon spirituellen Töne. „Wir arbeiten seit 15 Jahren mit den Golfstaaten und geben Statements für Künstler aus den von Donald Trump verbannten Ländern“, sagt sie.

Bedenklich macht jedoch ein Inkjet-Print des Medienkünstlers Klaus vom Bruch bei Klosterfelde Edition: „In der Zukunft wird die Malerei ein Phänomen der niedrigeren Klasse sein“, textet er als Aufdruck über einer barbusigen Dame aus einem Farbmagazin. In der Tat ist die Malerei nicht der große Renner auf der Messe, wäre nicht der verstorbene Dieter Krieg und seine Schüler oder der unvergessene Sigmar Polke. Doch immerhin: Der Maler Piotr Makowski aus Danzig, der bei Antoine Levi aus Paris ausstellt, zeigt eine Leinwand voller Farbspuren. Und über diesem Farbfeld scheint ein Tier gelaufen zu sein.

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