Der Hörer wählt den Ablauf der Geschichte

Neue Aufnahme von Kafkas Roman „Der Prozess“ orientiert sich am Original.

München. Bei Franz Kafka kann man sich nie sicher sein — nicht über Worte, nicht über Orte. Kafkas Roman „Der Process“ beginnt mit dem bekannten „Jemand musste Josef K. verleumdet haben“. Der 30-Jährige weiß nicht, welcher Schuld er sich bewusst sein soll. Er stellt sich aber dem Gerichtsverfahren, zunächst selbstbewusst, dann immer resignierter, bis das Urteil mit seiner Zustimmung vollstreckt wird.

Ob Kafka (1883 — 1924) den Roman aber tatsächlich so im Sinn hatte, ist nach der text-immanenten die große editorische Unsicherheit. Denn er hat 16 ungeordnete Text-Fragmente hinterlassen, deren Seiten er nicht nummeriert hat. Sein Freund Max Brod hat den Roman posthum veröffentlicht und eine erste Reihenfolge festgelegt.

Diese Linearität bricht der Hörspiel-Regisseur Klaus Buhlert auf. In seinem gerade erschienenen Hörbuch bekommt jedes Kapitel eine CD (ein Kapitel ist so lang, dass es zwei CDs braucht) — wie bei Kafka unnummeriert.

Der Hörer kann sich also seinen persönlichen „Process“ zusammenstellen, ein geistreiches Spiel mit der Rätselhaftigkeit. Und ein ungeteiltes Hörvergnügen, weil acht Sprecher, darunter Rufus Beck, Corinna Harfouch und Manfred Zapatka der Geschichte Rhythmus und Tiefe verleihen. Franz Kafka: „Der Process“; Der Hörverlag, München, 17 CD, 611 Min. 69,95 Euro.

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