Retrospektive Bundeskunsthalle: Gregor Schneider schläft sogar im Museum

Für seine Retrospektive baut der Künstler aus Rheydt 22 Räume ins Haus.

Bereitet seine erste Retrospektive vor: GregorSchneider.

Bereitet seine erste Retrospektive vor: GregorSchneider.

Foto: Radek Pietruszka

Bonn. Die Kreativwirtschaft NRW hebt in Branchentreffs gern den „hohen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung“ hervor. Die Realität der Künstler sieht anders aus. Bestes Beispiel ist Gregor Schneider, der gerade die Architektur der Bundeskunsthalle für seine erste Retrospektive herrichtet. Seit Monaten ist er kaum ansprechbar, dafür steht er den Handwerkern mit Rat und Tat zur Seite. Sein Anrufbeantworter meldet sich mit „24 Stunden Notdienst“. Schneider steht um 7 Uhr früh auf und legt sich abends 21.30 Uhr ins Bett. „Ich will fit sein für den nächsten Tag“, sagt er im Gespräch. So handelt Sisyphus, der permanent die Dinge auf- und abbaut.

Für das Durga Puja Festival in Kolkata errichtete er 2011 mit einheimischen Fachleuten einen Tempel und eine nachgebaute Straße aus Rheydt. Nach dem Fest landete alles im Ganges. Von dort fischte er die Reste heraus, transportierte sie per Schiff nach Deutschland und bugsierte die Container in sein Atelier. Nun platziert er sie in Bonn vor jenen Projektionsflächen, auf denen das göttliche Fest in Schneiders Film verfolgt werden kann. Diesmal ist der Künstler ganz ins Museum gezogen. Im Apartment auf musealem Boden verliert er keine Zeit beim Pendeln zwischen seinem Wohnort Mönchengladbach- Rheydt und der Bundeskunsthalle.

Das Handwerk ist ihm seit seiner Kindheit geläufig, hat er doch schon als 16-Jähriger mit dem Umbau des Wohnhauses an der Unterheydener Straße begonnen, einem Haus aus dem elterlichen Betrieb eines Bleifabrikanten. Sein Bruder ist Ingenieur und half ihm bei seinem Einstand in den Kunsthandel, als er 1992 seine erste Galerie- Ausstellung bei Löhrl in Mönchengladbach hatte. Fachmännisch erklärt er 24 Jahre später den „Wechselstrommotor“ für die Decke, die fünf Zentimeter rauf und runter fährt. „Theoretisch könnte ich die Umdrehung so langsam stellen, dass es ein Jahr dauert, um die Decke zu heben oder zu senken.“ Er fügt sofort hinzu: „Die neue Decke ähnelt einer Museumsdecke, so dass der Eintretende nicht weiß, ob er sich im Museum oder in einem meiner Räume befindet.“

Zu 22 Stationen will Schneider die Besucher führen. Das ist jedoch nicht nur eine Mordsarbeit, sondern auch ein logistisches Unterfangen. Noch gibt es kein Museum, das Räume archiviert, geschweige denn sammelt. Die Bundeskunsthalle wäre der richtige Ort dafür, aber das ist Zukunftsmusik.

Also hat Gregor Schneider leerstehende Fabrikhallen angemietet. Dort lagert er etwa den Sterberaum, das Kinderzimmer und die Garage. „Ich halte das Lager, weil ich es muss. Es bleibt mir gar nichts anderes übrig“, sagt er.

Für die Biennale in Venedig, wo er den Goldenen Löwen erhielt, hatte er sein „Totes Haus u r“ auf Paletten auf der grünen Wiese deponiert. Alles war luftdicht verpackt, bevor es in den Deutschen Pavillon eingebaut wurde. Nun aber gilt es, die Container einzuschieben und seine Räume im Museum anzudocken.

Der Titel der Ausstellung heißt „Wand vor Wand“, denn damit hatte der Schüler 1985 sein Lebenswerk angefangen. Wände baut er weiterhin, ohne dass der Besucher weiß, was dahinter steckt. Das bleibt Schneiders Geheimnis.

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