Wiedereröffnung: Mit Plüsch und Pudelnummer

Hamburgs Hansa Varieté glänzt ab heute in alter Pracht. In Berlin musste der „Wintergarten“ hingegen schließen.

Hamburg. "Wenn in Berlin die Lichter ausgehen, heißt das noch lange nicht, dass wir in Hamburg es nicht doch schaffen."

Thomas Collien gibt sich selbstbewusst vor der heutigen Wiedereröffnung des Hansa Varieté Theaters: Mag im "Wintergarten"-Varieté der Hauptstadt auch Ende des Monats mangels Publikum der letzte Vorhang fallen, die Hanseaten rennen ihm schon vor der Premiere das altehrwürdige Haus - ein mit dem Kristalllüster im Foyer und den "Rufschaltern" für die Kellner auf den Tischen im rotgoldenen Zuschauerraum.

75 Prozent aller Karten für die kommenden zwei Monate sind bereits verkauft. "Den Hamburgern muss etwas gefehlt haben." Collien sucht nach einer Erklärung. "Wir sind selbst völlig überwältigt von dem Erfolg."

Dabei war die Idee, dem legendären Varieté sieben Jahre nach seiner Schließung neues Leben einzuhauchen, mehr aus dem Bauch denn aus kühler Kalkulation entstanden. Denn Collien, Intendant des nicht minder bekannten St.-Pauli-Theaters, und sein dortiger künstlerischer Leiter Ulrich Waller, hatten sich nach einer Besichtigung in das nahe dem Hauptbahnhof gelegene Haus verliebt, in seine einmalig-plüschige Atmosphäre und sein einzigartig-altmodisches Ambiente, das bis hinab in die Mahagoniholz-Kabinen der "stillen Damen-Örtchen" reicht.

"Bewundernswert, wie die Besitzer diese Schmuckschatulle über sieben Jahre gehegt und gepflegt haben", meint Collien voller Respekt. Das traditionsreiche Haus hatte nach mehr als 107 Jahren 2001 wegen roter Zahlen geschlossen. Hansa-Geschäftsführer Peter Baldermann und seine Schwiegermutter Telse Grell mochten zwar nicht noch einmal selbst in die Verantwortung gehen, doch für eine Wiederbelebung der Legende inklusive seines Mythos haben sie sich gern zur Verfügung gestellt.

Wobei klar ist: "Wir erfinden das Rad nicht neu", sagt Collien, "wir mischen die Zutaten nur besser ab." Denn auch er weiß, dass ein Großteil der Faszination des Varieté aus nostalgischen Elementen und altvertrauten Nummern rührt: So werden Körperakrobaten ebenso wenig fehlen wie der Magier oder die legendäre Pudelnummer.

Neu indes sind neben Licht- und Tontechnik vor allem die wechselnden Conférenciers, die aus den einzelnen Nummern ein Ganzes formen sollen: Kabarettisten und Comedians wie Matthias Deutschmann, Horst Schroth oder Marlene Jaschke sowie Schauspieler wie Gustav-Peter Wöhler oder Ulrich Tukur, dessen "Rhythmus Boys" obendrein die klassische Kapelle ersetzen. Was neben Witz und Schwung vor allem auch jene jüngeren Besucher bringen soll, die etwa der Berliner "Wintergarten" nicht mehr anzuziehen vermochte, während gleichzeitig das ältere Stammpublikum wegstarb.

Den Tod des Genres befürchtet Collien indes nicht: Der Niedergang des Varieté sei schon so oft prophezeit worden, doch zeugten nicht auch aktuell Theater wie das Düsseldorfer Apollo oder der Frankfurter Tigerpalast vom Gegenteil? So kann ihn selbst die derzeitige Wirtschafts- und Finanzkrise nur wenig schrecken: Anders als bei den diversen hochpreisigen "Dinner"- und "Palazzo"-Spektakeln werde der Gast im Hansa-Theater nicht zum Verzehr gezwungen sein: "Das ist in Krisenzeiten ganz wichtig."

Und so ist er denn auch zuversichtlich, die aus ihrem Dornröschenschlaf erweckte Varieté-Schöne nach dem erst einmal für acht Wochen angesetzten "Probelauf" weiter zu führen. "Das Hansa-Theater ist eine Hamburger Marke - die muss weitergelebt werden."

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