Theater Essen: Regieduo lässt den Alltag leuchten

Das Regieduo Hofmann & Lindholm zeigt in seiner Produktion „Séancen“, wie man dem Kapitalismus ein Schnippchen schlägt. Ein Projekt am Schnittpunkt von Bildender Kunst, Theater und Performance.

Essen. Uta Wallstab hat ihr Badezimmer liebevoll hergerichtet, Handtücher, Badezusätze herbeigeschafft. Sie sollen es schließlich schön haben. Sie - das sind wildfremde Menschen, die Uta Wallstab mittels eines Aushangs an Seniorenheimen, Bahnhöfen oder Studentenwohnheimen aufgefordert hat, ihr Badezimmer unentgeltlich zu benutzen. Gutmenschentum, Helfersyndrom oder übersteigerter Altruismus?

Weder noch. Uta Wallstab ist eine von fünf "Alltagsspezialisten", die in der Produktion "Séancen - Versuche zur Aufhebung der Schwerkraft" am Theater Essen ihr helfendes Unwesen treiben. Angestiftet dazu hat sie das Regieduo Hofmann & Lindholm, das im Düsseldorfer FFT regelmäßig zu Gast ist und im März seinen neuen Abend auch dort zeigen wird.

Seit 1999 realisieren Hannah Hofmann und Sven Lindholm Projekte am Schnittpunkt zwischen Bildender Kunst, Theater und Performance. Sie arbeiten ausschließlich mit Laien und untersuchen dabei unsere fest gefügte Alltagswelt nach Spielräumen für Eigenverantwortung und Entscheidungsfreiheit. Anders als bisher agieren ihre Alltagsspezialisten diesmal jedoch im Kontakt mit ihren Mitmenschen.

Da geht Rosh Shogaziba in einen Supermarkt und lässt planvoll Menschen in der Warteschlange vor. Matthias Turowski wiederum tauscht anonym schadhafte Scheibenwischer an PKW aus. Außer ein paar verschwommenen Bildern auf einer Leinwand sieht man nicht viel von den Aktionen. Es geht eher um die phantasiestiftende Dokumentation der Vorgänge.

Die fünf Akteure sitzen oder stehen mit Blickkontakt zum Publikum und berichten unter penibler Orts- und Zeitangabe von ihren Aktionen. Psychologie oder Handlungsmotivation spielen keine Rolle. Doch in der Choreografie der Abläufe, dem Gleiten von Tischen und Stühlen, den Tonschleifen der Musik liegt etwas von der Reibungslosigkeit unserer Normalität. In dieses rote Meer des Normalen schlagen Hofmann & Lindholm eine Furt der Subversion.

Das wird schon daran deutlich, dass der Abend mit einer (natürlich dokumentierten) "Leuchterscheinung" gerahmt wird. Ob Blitzschlag oder Meteor - es handelt sich auf jeden Fall um ein Ereignis, das für einen kurzen Moment den Alltag außer Kraft setzt. Damit schlägt Roland Görschels Stunde, der Gegenstände im Pfandhaus erwirbt und sie ihren Besitzern zurückgibt. Oder Mirjam Orlowksy, die Luxusgüter in die Einkäufe von Senioren schmuggelt.

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