Tanz: Der Sklaven-Aufstand als Totenklage

„Spartakus“: Youri Vàmos’ letzte Ballett-Neuproduktion an der Rheinoper.

Düsseldorf. Die beiden Sklaven kämpfen um ihr Leben. Sie tun es zur Belustigung von Crassus. Dem römischen Feldherrn ist es ein besonderes Vergnügen, denn Spartakus und der Afrikaner sind Freunde. In jedem Arm eine Frau, hebt Crassus den Weinkelch an die Lippen. Als sich der Afrikaner plötzlich auf ihn stürzt, stößt der Römer ihm das Schwert in die Brust.

Bei der Premiere von "Spartakus", Youri Vàmos’ letzte Ballettneuproduktion am Düsseldorfer Haus der Deutschen Oper am Rhein, wird viel getötet und gelitten. Im goldenen Brustpanzer, mit rot schimmerndem Haar, verkörpert Crassus die Faszination des Bösen wie man sie in James-Bond-Filmen perfektioniert sieht. Später wird er Spartakus und seinen Sklavenaufstand blutig niederschlagen und Spartakus selbst ans Kreuz nageln lassen.

Doch dem scheidenden Ballettchef geht es weniger darum, ein Heldenepos zu bebildern. Das alte Sowjetballett, uraufgeführt 1956 in St. Petersburg, interpretiert die Sklaven-Erhebung in der Antike als Vorstufe der kommunistischen Revolution. Dagegen stimmt Vàmos’ Version, uraufgeführt 1989 in Bonn, eine Totenklage an. Dem überarbeiteten und von Pet Halmen neu ausgestatteten Ballett geht ein Prolog voraus, der trauernde Frauen in schwarzen Gewändern zeigt, ästhetisch angelehnt an Mary Wigmans mahnende Werke des deutschen Ausdruckstanzes. An das Originallibretto erinnern aber Abbildungen Fäuste ballender Heldenskulpturen von monumentaler Größe rechts und links der Bühne. An der Rückwand senkt ein weiterer, steinerner Heroe ratlos den Kopf.

Der ungarische Choreograf wählte den einzig möglichen Ansatz, das veraltete Werk zu Musik von Aram Chatschaturjan auf die Bühne zu heben. Er abstrahierte, bemüht um ein zeitloses Mahnmal für die Unterdrückung von Menschen, wie es sie in der Geschichte immer gegeben hat und wohl immer geben wird. Gelungen ist es ihm letztlich nicht.

Zwar überzeugt Youri Vàmos’ choreografisch - endlich verzichtet er auf seine ewiggestrigen pantomimischen und gestischen Bewegungen. Die Pas de deux insbesondere von Spartakus (Filip Veverka) und seiner Frau Varynia (Suzanna Kaic) beeindrucken mit Einfallsreichtum und Emotionalität. Außergewöhnlich auch die Sklavenszenen, wie die choreografierten Fresken in Anlehnung an Reliefdarstellungen in der antiken römischen Kunst.

Nur hat Vàmos sich verlaufen in einem Labyrinth aus Rückblenden, das man selbst mit dem Programmheft in der Hand nur mühsam durchdringt. Schon der Kunstgriff, eine Szene zweimal zu zeigen - einmal in der Erinnerung von Crassus, einmal aus Spartakus’ Sicht - verwirrt nur. Und es fehlt an Deutlichkeit.

Der Sklavenaufstand ist ein harmloses, ausgelassenes Tanzfest. Die Düsseldorfer Symphoniker zähmen unter Felix Korobovs Dirigat Chatschaturjans wilde Rhythmik, spielen seine verschiedenen Kompositionen klar und schlank. Im Ballettensemble fielen vor allem Suzanna Kaic als intensive Darstellerin der Varynia auf, Rodrigo Almarales’ junger Crassus und der geschmeidige Chidozie Nzerem als Afrikaner. Der Neuzugang bleibt dem Haus unter dem künftigen Ballettchef Martin Schläpfer erhalten. Stürmischer Applaus.

Ca. zwei Stunden, eine Pause, Auff.: 22. und 28. 2., 8. und 14. 3., Opernhaus Düsseldorf, Tel.: 0211/89 25 211

Choreografie/Dramaturgie: 3 von 5 Punkten

Ausstattung: 4 von 5 Punkten

Ensemble: 3 von 5 Punkten

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