Schauspiel: Taschenspieler-Tricks aus Teufelshand

Sebastian Baumgarten inszeniert in Düsseldorf „Der Meister und Margarita“.

Düsseldorf. Über Moskau braut sich was zusammen. Gewitterwolken drücken die gesichtslosen Hochhäuser in den Boden. Auf der Bühne vor dieser Videoprojektion schlittern Menschen durch den Schnee. Sie gieren nach Vorteilen, nach Devisen, teuren Kleidern und Reisen.

Die Schriftsteller in ihren grauen Anzügen gefallen sich im Klagen: "Warum hast du diese Wohnung?" "Warum kannst du dir das leisten?" Nach genügend Schnaps stellen sie eine Genossin aufs Podest, ihrer Stalin-Parodie mit Schnauz fehlt jeder Biss.

Sebastian Baumgarten greift im Düsseldorfer Kleinen Haus in die Theater-Trickkiste, um das teuflische Chaos auf die Bühne zu bringen, das Michail Bulgakow in seinem Klassiker "Der Meister und Margarita" beschreibt.

Mit Videoprojektionen (Stefan Bischoff) bespielt er den Himmel: Köpfe rollen, Jesus stirbt am Kreuz, Hexen fliegen in Pippi-Langstrumpf-Manier über die Stadt hinweg. Auf der Erde verschwinden Menschen in dampfenden Bodenlöchern, aus der Herdklappe streckt ein Zottelwesen seinen Kopf.

Die Grenze zwischen Sein und Schein verschwimmt, wenn sich des Teufels Gehilfe Korowjew (Christoph Müller) in einem wie die Kulisse bedruckten Anzug ins Bild passt. Ein Spitzel und Denunziant, der sich in bester Gesellschaft befindet. Das ist zeitweise originell und witzig. Doch reihen sich die 20 Szenen in gut zwei Stunden aneinander, ohne dass einen die dramatische Seite der Geschichte packt.

In ihr kämpft nur einer für das, was er zu sagen hat, und landet in der Irrenanstalt: Der Meister (Markus Scheumann) hat einen Roman über Pontius Pilatus geschrieben, über Jesus und die Schuld, die Pilatus nach seinem Todesurteil nicht mehr los lässt. Nur eine glaubt an den Schreiber: Margarita (Nadine Geyersbach). Und nur ein Pakt mit dem Teufel führt sie wieder zu ihrem Liebsten und schließlich in den Tod.

Scheumanns Meister macht Mätzchen und bekommt doch keine Kontur: Kämpferisch will er einem Kritiker im Publikum wie einst Gerhard Stadelmaier den Block aus der Hand reißen, doch meistens vernuschelt er seine Ansichten in die Schlappohren seiner Fellmütze. In gelbem Kleidchen und mit dicker Brille spielt Geyersbach ihre Margarita naiv-schrullig, später - in roter Perücke - gesellt sie sich lüstern zum Teufel. Die Liebe zum Meister verkörpert sie nicht.

Der Satan selbst (Rainer Galke) erscheint in Nebenrollen: Er taucht als Stadtstreicher auf, der über göttliche Existenz philosophiert. Als Nervenarzt analysiert er das übernatürliche Treiben, und als Voland, Professor für schwarze Magie, amüsiert er mit Taschenspieler-Tricks. Im Roman spielt er eine zentrale Rolle, konfrontiert das ungläubige und eigennützige Leben mit seiner Existenz, die auf der Bühne selbst mit elektrisch verzerrter Stimme nicht mephistophelisch daher kommt.

Und platt wird es, wenn Einspiel-Szenen auf Monitoren für die Übertragung des Geschehens ins neue Jahrtausend sorgen sollen. Menschen aus Moskau, die sich aktuell über Geschehnisse wundern, rücken die Inszenierung damit nicht näher an den Zuschauer heran.

Inszenierung: 3 von 5 Sternen

Ensemble: 3 von 5 Sternen

Bühne: 4 von 5 Sternen

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