Quasthoff: „Ich gehe ohne Bitterkeit“

Der Bassbariton beendet mit 52 Jahren seine Weltkarriere aus gesundheitlichen Gründen.

Berlin. Es klingt wie ein Abschied, aber es soll keiner werden. „Ich habe dem Beruf viel zu verdanken und gehe ohne Bitterkeit. Im Gegenteil“, schrieb Thomas Quasthoff am Mittwoch, als er seinen Rückzug von der Bühne bekanntgab und alle Konzerte absagte. Seine Gesundheit erlaube es ihm nicht mehr, „dem Anspruch, den ich immer an mich selber und an die Kunst gestellt habe, gerecht werden zu können“.

Der Bassbariton, dessen Stimme wie ein Donner erschallen kann, hatte Ende 2011 bereits viele Konzerte nach einer Kehlkopfentzündung absagen müssen. Jetzt zog er die Konsequenz: „Ich habe mir die Sache lange überlegt. Auch mein Arzt hat mir empfohlen, mir mehr Zeit für mich selbst zu nehmen.“ Dem österreichischen Magazin „News“ sagte er: „Ich singe seit fast 40 Jahren und nehme mir das Recht heraus zu sagen: Jetzt reicht’s.“

Der 52-Jährige deutet auch generellen Frust an der Entwicklung im Klassik-Geschäft an: Ihm sei „die Branche zu oberflächlich geworden. Man hat den Eindruck, außer David Garrett gäbe es niemanden mehr“.

Der Sänger ist als Contergan-Kind ohne Arme zur Welt gekommen, wollte seine Behinderung aber nie als Nachteil für den Beruf sehen — obwohl die Musikhochschule Hannover ihm zunächst einen Studienplatz in Gesang verweigerte, weil er das Pflichtfach Klavier nicht belegen konnte.

Am Ende klappte es doch mit dem Studium, die Karriere schloss sich nahtlos an. Ob bei Liedern von Mahler, Schubert und Brahms oder in seinen Opernauftritten — mit seiner dunklen, tiefen Stimme hat Quasthoff die Bühnen der Welt erobert. Er singt Jazz und die Matthäus-Passion, wenige Klassikkünstler sind so wandlungsfähig wie er. Gesangsgenuschel braucht man bei ihm nicht zu fürchten, jedes Wort sitzt.

Auch in der Oper sorgte er für Furore: 2003 sang er in Salzburg in Beethovens „Fidelio“, in Wien den Amfortas in „Parsifal“. Mit schönem Singen rühre man Menschen nicht, man müsse auch schon etwas zu sagen und zu wagen haben, hat er gesagt. Seine Behinderung wurde auf der Bühne zum Symbol für die Verletzlichkeit des Menschen.

Als Professor der Berliner Hanns-Eisler-Musikhochschule wird Quasthoff den von ihm gegründeten Gesangswettbewerb „Das Lied“ fortsetzen — und für seine Schüler wohl gelegentlich doch noch die Stimme erheben.

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