Ostfriesische Knüppel gegen französische Kanonen

Spiekeroog (dpa) - Napoleon kam mit Gewehren und Kanonen - die Bewohner von Spiekeroog wehrten sich mit Knüppeln und Forken. Das konnte nicht gut gehen. Doch es war nicht die ungleiche Waffenverteilung, an der der Widerstand kläglich scheiterte.

Die französischen Truppen füllten die Ostfriesen mit Wein ab, und diese sanken wehrlos ins Gras. Als sie aus ihrem Rausch erwachten, waren ihre Anführer bereits hinter Gittern.

So oder so ähnlich soll es sich vor 200 Jahren zugetragen haben. Als „Knüppelkrieg“ ging die kurze Rebellion der Spiekerooger von 1811 in die Geschichte ein, heute ist sie fast vergessen. Monatelang durchforstete die Schauspielgruppe „Das Letzte Kleinod“ Archive in der Region, sprach mit Heimatkundlern und studierte alte Literatur. Am Donnerstagabend brachte sie den „Knüppelkrieg“ als Uraufführung zurück auf die Insel.

Die untergehende Sonne taucht die Salzwiesen vor dem Deich in warmes Licht. Hin und wieder kreischt eine Möwe in der Ferne. Bauern mähen das hohe Gras mit Sensen. Bei jedem Schritt macht der Untergrund matschig-saugende Geräusche. Doch dann beenden die aufgeregten Schreie eines heraneilenden Mannes die idyllische Ruhe. Die Franzosen kommen - und damit Hunger, Abgaben und Arbeitsdienste, zum Beispiel beim Bau der Gefechtsstellung „Franzosenschanze“.

Dagegen lehnen sich die Spiekerooger unter ihrem Anführer Enno Edden auf - erfolglos. „Mit Napoleon kann's ja nicht ewig dauern“, sind Eddens letzte Worte, bevor ihn die Franzosen in Ketten legen. Er sollte recht behalten. Wenige Jahre später müssen sich Napoleon und seine Truppen geschlagen geben. Auch wenn ihre Herrschaft nur kurze Zeit dauerte, in der Kultur und Sprache Ostfrieslands hat sie viele Spuren hinterlassen. Noch heute verspotten Lieder und Erzählungen die großkotzigen „Froschfresser“. Wörter wie Malheur und Chemisett werden ganz selbstverständlich im Plattdeutsch verwendet.

Trotzdem: „Viele Menschen hier wissen gar nicht, dass das mal französisches Staatsgebiet war“, sagt Jens-Erwin Siemssen, Autor und Regisseur des Stückes. Im Inselmuseum, aus zahlreichen Anekdoten und einer alten Ballade grub er die Geschichte von Enno Edden und dem „Knüppelkrieg“ wieder aus. Dem bodenständigen Bauern stellt er den Wurster Freiheitskämpfer Anton Biehl gegenüber, einen trinkfesten und listigen Schmuggler. Unterstützt von den Briten lieferten sich Biehl und die Wurster Widerstandsgruppe „Der schwarze Fisch“ blutige Gefechte mit den Franzosen. Doch auch sie unterlagen am Ende.

Vor der Kulisse der weitläufigen Salzwiesen und des rotglühenden Himmels brauchen die fünf Schauspieler von „Das Letzte Kleinod“ nur wenige Mittel, um die Geschichte der beiden gescheiterten Widerstände zu erzählen: als Requisiten dienen einige Holzstangen und Segeltuch-Plane. Aus ihnen formen die Akteure mit geschickten Handgriffen mal ein Ruderboot, mal eine französische Garnison oder eine britische Fregatte.

Das Publikum klatscht am Ende der Uraufführung begeistert Beifall. „So direkt auf den Wiesen in der freien Natur, das hat schon was“, sagt Silke Klenz, die für die Vorstellung aus Norden angereist ist. Die Geschichte vom Wurster Widerstand kannte sie bereits, doch vom Spiekerooger „Knüppelkrieg“ hatte die Ostfriesin noch nie etwas gehört. So geht es aber auch vielen Inselbewohnern im Publikum. „Man kennt die "Franzosenschanze". Aber was es damit auf sich hat, wusste ich bisher nicht“, gibt Ansgar Ohmes zu.

Bis zum 18. September sind 15 weitere Aufführungen von der „Knüppelkrieg“ auf Spiekeroog und in Wremen im Kreis Cuxhaven zu sehen.

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