Langläufer als Kulturmäzen

Jörg Schranz absolviert Marathonläufe, um Geld für Kunstprojekte wie die „Schachtzeichen“ zu sammeln.

Oberhausen. Er läuft und läuft und läuft. 2004 lief Jörg Schranz seinen ersten Marathon. Inzwischen hat er diese Strecke 80 Mal absolviert und sich überdies zum Triathlon und Ultramarathon (meist 100 Kilometer) hochtrainiert. Im vergangenen Juli überstand der 44-Jährige seinen ersten Dreifach-Ironman: Er schwamm 11,4 Kilometer, fuhr 540 Kilometer Rad und lief 126,6 Kilometer. Das alles schaffte der freiberuflich arbeitende Programmierer in 53 Stunden.

Aber für den Oberhausener zählt nicht der sportliche Erfolg allein. Mit seinem Hobby ist er zu einem außergewöhnlichen Kulturmäzen geworden. Während viele andere Läufer ihr von Sponsoren gespendetes Kilometergeld sozialen Einrichtungen spenden, rennt Jörg Schranz für die Kultur.

Hochkultur fördert der Ausnahmesportler jedoch nur im übertragenen Sinn. Schranz verwendet seine Sponsorengelder, um unter anderem Heliumballons für die Kunstaktion "Schachtzeichen" zu finanzieren. Schließlich kostet einer der 250riesigen Ballons, die zusammen ein Denkmal der besonderen Art bilden, schon 6000 Euro. Bereits zwei Mal hat er auf der 1931 stillgelegten Zeche Oberhausen einen "Kulturrun" organisiert, 12000 Euro kamen allein dadurch herein.

Jörg Schranz ist begeistert vom Projekt "Schachtzeichen". Wenn am Samstag an vielen Orten im Ruhrgebiet die großen gelben Ballons aufsteigen, um die Orte zu markieren, an denen früher Kohle gefördert wurde, wird sich die Region nachhaltig verändern - davon ist der Läufer überzeugt. Wie 1995, als Christo den Reichstag in Berlin verhüllte, werden die Bilder von der fast schwebenden Industrielandschaft um die Welt gehen.

Allerdings geht es Schranz nicht um Effekthascherei oder bloße Werbung für einen Wirtschaftsstandort. "Schachtzeichen", so der Mann aus Oberhausen, sei ein soziales Kunstwerk. Schon vor, nach und sogar während seiner Sponsorenläufe sprach er mit Menschen am Wegesrand, die ihm viele Geschichten über den Bergbau erzählten - über ein Kino untertage oder ein Café auf dem Förderturm.

Genau so hat sich Volker Bandelow das auch vorgestellt. Der Leiter des Kulturamtes in Gelsenkirchen hatte die Idee zu der Aktion schon 2004, seit Sommer 2006 hat er mit seinem Team am Konzept, an der Ballontechnik und an der Logistik gefeilt. Bandelow (55) möchte den Menschen mit den Ballons sinnlich vor Augen führen, "wo die Wurzeln, die Ursachen ihres Siedlungskonglomerats sind".

Jörg Schranz wird ab Montag über mehrere Schichten Wache unter seinem Ballon halten. Wie tausende von anderen freiwilligen Helfern wird er darauf aufpassen, dass sich niemand an dem 80 Meter langen Seil vergreift oder eine stürmische Bö den Heliumball entführt. Wenn alles klappt, werden die Ballons eine Woche lang in dem hoffentlich blauen Himmel über der Ruhr schweben.

Während zwei Nächten werden die knallgelben Flugobjekte von Scheinwerfern angestrahlt. Dann werde ein nächtliches Picknick auf einer der vielen Bergehalden zum unvergessliches Erlebnis, ist Schranz überzeugt.

Zu Beginn der Aktion erwartet ihn jedoch ein anderer bewegender Eindruck. Am Wochenende läuft bei einer Veranstaltung die 230 Kilometer von der Ruhrquelle bei Winterberg bis zur Mündung in den Rhein. Seinen Weg werden viele gelbe Ballons säumen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort