Interview mit Thomas Hermanns: „Meine Welt ist bunter“

Thomas Hermanns über sein Debüt als Ulkbombe, seine Macht als graue Eminenz der Comedy und das rheinische Nümmerchen.

Herr Hermanns, Sie spielen an den nächsten Wochenenden in je drei Vorstellungen des Musicals „Kein Pardon“ die Rolle der hessischen Ulkbombe Heinz Wäscher. Warum tun Sie sich das an?

Thomas Hermanns: Seit ich Kind war, wollte ich eine Musicalrolle spielen, aber es hat mich nie einer gefragt. Außerdem steckt in jedem Moderator auch was von Heinz Wäscher — insofern hat das auch etwas von Therapie.

Aber was reizt Sie an dem Stress?

Hermanns: Ich habe erst gedacht, der Druck wäre nicht so groß, weil über Wäscher ja ständig erzählt wird, er singe falsch. Seit den Proben sehe ich das anders. Trotzdem will ich sehen, ob ich als alte Rampensau meine ersten Schauspielversuche bestehe. Ich denke: So lange ich keine große Ballade singen muss, wird es gehen. Es funktioniert auch nur, weil ein Moderator einen Moderator spielt. Und ich habe in meinem Leben genug Leute vom Typ Wäscher beim Fernsehen erlebt, um zu wissen, wie so einer tickt.

Als sich im Musical für Peter Schlönzke sein Traum von der TV-Karriere erfüllt, folgt die Enttäuschung auf dem Fuße. Auch Sie wollten als Jugendlicher zum Fernsehen, was hat Sie enttäuscht?

Hermanns: Ich habe 2008 mit dem Vorentscheid zum Eurovision Song Contest (ESC) aufgehört, weil ich gedacht habe, dass Deutschland in absehbarer Zeit nicht mehr gewinnt. Da konnte ich bei Lenas Sieg zwei Jahre später nur sagen: schlechtes Timing. Andererseits wäre die ARD sicher nicht auf ProSieben und Stefan Raab zugegangen, wenn ich nicht aufgehört hätte.

Wie hoch kann der Spaßfaktor bei einem ESC in Aserbaidschan sein?

Hermanns: Ja, manche Länder sind in ihrem Demokratieverständnis etwas weit weg von unseren Vorstellungen. Da kann ein ESC, der auf einer Riesenbühne mit Lichtsäulen inszeniert wird, schnell zu staatstragend wirken. Wenn aber die ganzen schwulen Fans in Baku einfallen, haben sie schon die Möglichkeit, etwas anzustoßen, wenn sie sich nicht nur still vom Hotel zur Halle bewegen.

Sowohl Hape Kerkeling als auch Sie ziehen viel Stoff aus den Mythen des Fernsehens der 1970er Jahre. Heute sieht das Programm ganz anders aus.

Hermanns: Ich glaube, dass viele Leute, die heute TV machen, das Fernsehen nicht mehr lieben — ganz im Gegensatz zu Hape, Dirk Bach und mir. Es gilt nur noch das Business in einer gut laufenden Maschine, der es an Herz und Seele fehlt. Da ist es absurd, wie der Wunsch, im Fernsehen aufzutreten oder Model zu werden, Jugendliche beherrschen kann.

Wenn man sich Ihre Programme und Bücher anschaut, hat man den Eindruck, Sie gingen durch eine buntere Welt. Täuscht das?

Hermanns: Das stimmt wirklich. Im Urlaub bin ich nach einer Woche erholt, und mein Mann kriegt die Panik, weil ich aus allen möglichen Situationen heraus Showideen entwickele. Mich nervt diese blöde Trennung in E und U, in Ernst und Unterhaltung. Ich finde, die Deutschen haben eine Unterhaltung mit Intelligenz und Wärme verdient, wie sie die Engländer, Amerikaner und Brasilianer längst haben.

Was machen Sie dann mit den Ideen?

Hermanns: Ich stamme aus einer Familie, in der die rheinische Tradition des Nümmerchens gepflegt wird: Das heißt, bei allen Geburtstagen stellt man sich vorne hin, singt oder macht Sketche. Wenn ich das mache und Glück habe, wird daraus ein Programm. Sonst bleibt es eben ein Nümmerchen. Aber aus der Tradition ziehe ich das Zutrauen, es wenigstens zu versuchen.

Sie sind mit dem Quatsch Comedy Club in Berlin, Hamburg und Düsseldorf vertreten und quer durch die Branche bestens vernetzt. Kann es irgendjemand ohne Sie auf den Comedy-Olymp schaffen?

Hermanns: Schwer (lacht). Andererseits kreieren wir auch keinen Comedy-Star — das funktioniert nämlich nicht. Wir können niemanden hypen und großmachen. Jeder, der das behauptet, lügt. Wir stellen nur das Gefäß des Clubs zur Verfügung, die Comedians kommen mit ihren Inhalten, können bei uns üben — und das befruchtet sich gegenseitig.

Sind Sie der Dieter Bohlen der Comedy?

Hermanns: Wenn schon, dann die graue Eminenz. Ich fördere, ich gebe Meisterklassen, ich bin gerne die Gärtnerin der Liebe. Auf keinen Fall watsche ich Leute ab, die sowieso schon mit den Nerven fertig sind, weil im Saal keiner gelacht hat.

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