Hape Kerkeling: 100 Wochen Platz 1

"Ich bin dann mal weg" löste eine Pilger-Epidemie aus.

Berlin. Lange bevor Hape Kerkelings Buch über die Pilgerstrecke nach Santiago de Compostela auf den Markt kam, zogen Menschen über den Jakobsweg. Aber mit "Ich bin dann mal weg" wurde alles anders.

Das Buch wurde zum Verkaufserfolg, die Zahl der Wallfahrer aus Deutschland und Österreich verdoppelte sich. An 26. Mai steht Kerkelings Erleuchtungswerk 100 Wochen auf dem ersten Platz der Bestsellerlisten von "Spiegel" und "Focus" - ein Rekord und kein Ende in Sicht.

Mit mehr als drei Millionen verkaufter Exemplare gilt die Chronik einer Selbstfindung als erfolgreichstes deutschsprachiges Sachbuch nach 1945.

Und dank Kerkeling hat das Pilgerfieber selbst eingefleischte Atheisten gepackt. Strapazen unter sengender Sonne, muffige Herbergen, verschwitzte Wanderklamotten, Blasen an den Füßen - egal. Tausende haben sich in den vergangenen zwei Jahren mit Kerkeling im Rucksack auf die Spuren des Komikers begeben. Sie suchen nach Spiritualität, hoffen auf Erleuchtung in Nordspanien.

"Religion ist wieder in", weiß Eva Brenndörfer, Sprecherin des Piper-Verlags. Der Erfolg sei "völlig überraschend" gewesen. Die Erstauflage lag bei 50000 Exemplaren, zuweilen seien bis zu 20000 Bücher täglich verkauft worden.

Der Verlag sei kaum mit dem Drucken nachgekommen. Viele Nicht-Leser seien dank Kerkeling in die Buchhandlungen gelockt worden. Verkaufsfördernd auch, dass sich der Spassvogel als Autor mit Tiefgang offenbarte.

Der Rekord ermutigt die Kirchen. "Es gibt das Bedürfnis, eine Leere im Alltag zu füllen", deutet Pater Christoph Jan Karlson den Boom. Der Theologe ist Geistlicher Direktor der Katholischen Akademie in Berlin und stellt ein wachsendes Bedürfnis nach "spirituellen Dingen" fest. Kerkelings Buch, mutmaßt er, fülle eine Lücke bei der Selbstsuche.

Tatsächlich verzeichnen die Pilgergemeinschaften seit Erscheinen der Kerkeling-Fibel regen Zulauf. Wallfahrten liegen im Trend. "Durch das Buch haben wir einen Schub bekommen", sagt Christoph Kühn von der Deutschen Jakobus-Gesellschaft. Mehr als 11 000 Anfragen hat der Verband mit Sitz in Aachen 2007 bekommen.

Noch vor wenigen Jahren wurde der "Camino Francés", wie die Strecke von der spanisch-französischen Grenze in den Pyrenäen nach Santiago de Compostela heißt, von nur wenigen Menschen erkundet.

Im Jahr 1987 gingen nur knapp 3000 Pilger auf Wanderschaft, 20 Jahre später waren es 114000. Schriftsteller wie der brasilianische Bestsellerautor Paulo Coelho mit seinem "Tagebuch einer Pilgerreise" oder die "Spirituelle Reise" von Hollywood-Star Shirley MacLaine verhalfen dem Weg zu weltweiter Bekanntheit.

Mit Kerkelings Erfolg begann ein Pilgerrennen. Busreisen, Billigflüge und organisierte Fahrten für Gruppentouren gibt’s mittlerweile. "Der Weg droht zu kollabieren", sagt Jochen Schmidtke vom Paderborner Freundeskreis der Jakobspilger.

Einsames Wandern gebe es kaum noch, die Herbergen würden überrannt. Der Freundeskreis unterhält die "Casa Paderborn" in Pamplona. Auch der Konkurrenzgedanke beflügele mittlerweile viele Wanderer. "Da gibt es Leute, die sich 40 Kilometer am Tag aufbürden und sprechen vom Wunsch nach Entschleunigung im Leben."

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