Gefangen im dunklen Kerkerraum

Ein etwas starrer „Fidelio“ eröffnet die Saison in Wuppertal.

Wuppertal. Es gibt eine Tradition in Wuppertal, mit Beethovens einziger Oper "Fidelio" eine Spielzeit zu eröffnen. Heikel war das immer, den Spagat zwischen Rettungs- und Treue-Oper zu realisieren. Heißt es doch, am "Fidelio" könne die Regie nur scheitern; die Frage sei, ob sie kläglich oder grandios scheitere. Seit dieser Spielzeit-Eröffnung im Opernhaus kann man eine weitere Variante zufügen: Eine Regie, die keine Position bezieht, hat nichts zu sagen.

In seiner Inszenierung setzt Johannes Weigand auf Statik, auf "Freeze"-Szenen, auf unbeweglich aufgereihte Chöre. Das könnte im oratorienhaft angelegten, in der Musik sich dramatisch steigernden zweiten Akt noch einigermaßen plausibel erscheinen, lähmt jedoch den singspielhaften ersten ermüdend. Vor allem kann sich eine psychologische Innenschau der Protagonisten, die der Musik entsprechen würde, nicht entwickeln.

Die Bühne von Markus Pysall, der auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet, folgt dem mit Elementen, die die Starre betonen. Sie sorgt aber dennoch für den stärksten Moment: die sich spaltbreit hebende, alles beherrschende Mauer, unter der die Gefangenen wie Gewürm aus der Erde kriechen.

Den dunklen Kerker-Raum beherrscht eine schräge Treppe mit vertikal aufstrebenden Säulen, in dem der gefangene Florestan schmachtet. Lawrence Bakst singt ihn wenig textdeutlich und mit nicht immer freiem Tenor. Persönliche Rache übt Don Pizarro (volumenreich: Kay Stiefermann) an ihm.

Michael Tews gibt dem Kerkermeister Rocco mit profundem Bass einige Kontur, seine Tochter Marzelline (Banu Böke) glänzt mit schönen Sopran-Höhen. Claudia Itens Leonore, alias Fidelio, sorgt für Höhepunkte des Abends. Sicher, frei und kraftvoll singt sie und entspricht mit ihrer Zeichnung der Figuren der in Beethovens Musik angelegten, starken Persönlichkeit.

Eindrucksvoll gestaltete Musik ist auch das hochdramatische Quartett "Er sterbe!", in dem Leonore sich zu erkennen gibt, schützend vor ihren Gatten stellt und sein Leben mit der Pistole verteidigen will.

Warum die Schluss-Szene mit dem begnadigenden Minister Don Fernando (mit gewohnt kultiviertem Bariton: Thomas Laske) die historisierende Kostümwelt verlässt und ihn im edlen grauen Anzug, den Chor als fein gemachte Büro-Angestellte aufstellt, erschließt sich in der Inszenierung nicht. Zu schlicht scheint der Transport in die Gegenwart: Das Hohe Lied der Gattenliebe und das Streben nach Freiheit sind immer gültig.

Das stimmlich gut ausgestattete Ensemble, ein funktionierendes Wuppertaler Sinfonieorchester, das sich unter dem vorsichtig abwägenden Dirigat von Hilary Griffiths zunehmend freispielt und ein ausdrucksstarker Opernchor unter seinem neuen Chordirektor Jens Bingert sorgen dann doch noch für einen gelungenen Saisonstart in Wuppertal.

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