Ende gut, Alles gut in Stratford-upon-Avon

Stratford-upon-Avon (dpa) - Ganz genau wird man wohl nie wissen, wie ein Theaterabend zu Zeiten Shakespeares aussah. Eines aber scheint sicher: Statt Abendkleid, Proseccoschlürfen und Hüstelverbot gab es im 16. Jahrhundert eher dreckige Lacher, eindeutige Kommentare und jede Menge Interaktion zwischen Zuschauern und Schauspielern.

Und weil die ehrwürdige Royal Shakespeare Company in diesem „sozialen Zusammenspiel“ eine der wenigen Chancen für das Überleben der Kunstform Theater überhaupt sieht, wagte sie den Schritt zurück. Fast vier Jahre hat sie ihr Haus in William Shakespeares Geburtsort Stratford-upon-Avon umgebaut. Seit Mittwoch ist es wieder geöffnet.

Das weltberühmte Theater in der mittelenglischen Kleinstadt ist kaum wiederzuerkennen. Statt Schaukasten-Bühne reicht der Publikumsraum jetzt rund um eine kreuzförmige Bühne - fast wie zu Shakespeares Zeiten. Spieler und Publikum sollen zusammenrücken und kommunizieren. Das passt zu den zuschauernahen, und oft ziemlich mutigen, Inszenierungen der Company.

Die Theatermacher wollten ihr Haus außerdem zu einem Ort für Alle machen und helfen, Berührungsängste zu überwinden. Deshalb gibt es neue Restaurants, helle Gänge und viele Extras wie einen Shop, die das Theater in den Alltag der Menschen einbinden sollen. Historische Art-déco-Elemente aus den Anfangsjahren wurden ausgegraben und mit hochmodernen kombiniert.

„Das ist weder ein altes noch ein neues Haus, es ist ein transformiertes“, sagt Company-Präsident Christopher Bland mit reichlich Stolz in der Stimme. Das erste Stück soll im Februar zu sehen sein, bis dahin gibt es Sonderveranstaltungen, damit jeder das neue alte Haus kennenlernen kann.

Der umfassende Umbau gehörte zu den aufsehenerregendsten Kulturprojekten der vergangenen Jahre überhaupt. Das Ganze hat umgerechnet mehr als 130 Millionen Euro gekostet. Vieles wurde aus Spenden finanziert, deshalb war oft „Maß für Maß“ angesagt.

Gespendet aber wurde reichlich, denn Stratfords Liebe zu Shakespeare hat durchaus etwas von der Leidenschaft von „Romeo und Julia“. Vieles über William ist unbekannt oder unter Historikern umstritten, aber er soll hier geboren und auch begraben sein. Vor allem seit dem 19. Jahrhundert haben örtliche Liebhaber reichlich Pilgerstätten für den großen Sohn ihres kleinen Marktflecken geschaffen. Rund drei Millionen Besucher strömen jährlich durch die Gassen und entlang des Flusses Avon.

Eine Art „Mittsommernachtstraum“ war es, der dazu führte, dass es die Royal Shakespeare Company überhaupt gibt. Mehrfach wurden Truppen aufgebaut und erst einmal Sommer-Aufführungen organisiert. 1961 wurde ein festes Ensemble zusammengestellt, die mittlerweile weltbekannte und renommierte Royal Shakespeare Company. Seitdem spielten Weltstars wie Judi Dench, Helen Mirren oder Kenneth Branagh mit. Kommendes Jahr wird Jubiläum gefeiert.

Zuvor stand allerdings „Der Widerspenstigen Zähmung“ an, denn das Haus, das zum größten Teil aus dem Jahre 1932 stammt, war ein harter Brocken. „Über die Jahre wurde immer wieder an- und ausgebaut“, sagt Projektleiter Peter Wilson. Einige der Bauten wurden nun abgerissen, vieles integriert und mit Neuem verbunden. Das in einem Mix historischer Stile nachgebaute Swan Theatre blieb beinahe unverändert.

Ein besonderer Kraftakt war für den großen Theatersaal nötig. Die Akustik war so mies, dass sich kaum jemand Hoffnung machte, sie retten zu können. Legendär schlecht war auch der Ruf der völlig veralteten Toiletten. Besonders den Damen konnten sie schon mal einen Theaterbesuch verderben, wenn das Anstehen wieder länger dauerte als die Pause, erinnern sich langjährige Theaterbesucher.

Am Ende aller Anstrengungen aber sollte auf keinen Fall ein seelenloser Neubau stehen, betont Wilson. Stattdessen wünschte man sich einen einladenden Platz, der vor allem Menschen anzieht, die von steifer Garderobe und elitärem Gehabe nichts halten, sagt der Projektleiter: „Wir hoffen, wir haben der Vergangenheit unsere Ehre erwiesen und weisen gleichzeitig in die Zukunft.“

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