Ein furioser Lars Eidinger als „Richard III.“ in Berlin

Berlin (dpa) - Das war eine richtige Shakespeare-Dröhnung: Nach drei kompakten Stunden ohne Pause feierte das Publikum in der Berliner Schaubühne nach einem Moment benommener Stille die Premiere des frühen Königsdramas „Richard III.“ mit tosendem Applaus.

Ein furioser Lars Eidinger als „Richard III.“ in Berlin
Foto: dpa

Lars Eidinger in der Titelrolle des monströsen Intriganten bot eine furiose Leistung und zeigte sich am Ende sichtlich erschöpft. Ein bewundernswerter Kraftakt.

Ein furioser Lars Eidinger als „Richard III.“ in Berlin
Foto: dpa

Die Zuschauer waren diesmal ganz nah dran am blutigen Geschehen, auf Tuchfühlung mit einem Monster. Ausstattungsleiter Jan Pappelbaum hat eine vom Londoner „Globe Theatre“ inspirierte elisabethanische Bühne gebaut, ein Halbrund mit steil aufragenden Zuschauerrängen. Da konnte man fast den Atem der Schauspieler hören. Der rasende Herzschlag des Dramas war intensiv zu spüren.

Ein furioser Lars Eidinger als „Richard III.“ in Berlin
Foto: dpa

Eidinger spielt den verwachsenen Intriganten Richard mit Buckel und verdrehten Beinen. Er schleicht fast nur gebückt umher, ein hyänenhafter Ränkeschmied, der mit Frieden nichts am Hut hat. Er weiß, dass er ein Scheusal ist, moralisch und körperlich, „ums Aussehen betrogen“, wie es in der Übersetzung von Marius von Mayenburg heißt. Der Hausdramatiker der Schaubühne hat den Dramentext entstaubt, in die Gegenwart geholt, sich einige Flapsigkeiten erlaubt, aber die Poesie der Vorlage bewahrt.

Mit süßen Worten umschmeichelt Richard in der ersten Schlüsselszene die verwitwete Lady Anne (Jenny König). Die steht am offenen Sarg ihres Mannes, den Richard gemeuchelt hat. Erst hat sie nur Verachtung für ihn übrig, aber der Unhold schafft es tatsächlich, das Herz der Frau zu erobern. Dafür muss man diesen Teufelskerl schon wieder bewundern.

In seiner Inszenierung vermeidet Intendant Thomas Ostermeier platte Aktualisierungen oder Analogien zu anderen Gewaltherrschern. Stattdessen entwirft er psychologisch schlüssig das Bild eines Außenseiters, der sich um seinen Lohn gebracht sieht und den Hofschranzen und Opportunisten um ihn herum immer einen Schritt voraus ist. Nur die Frauen durchschauen diese grotesk-komische Figur: Wenn die alte Lady Margaret (Robert Beyer) von der Empore aus ihre bösen Prophezeiungen ausspricht, ist Richard ganz still. Auch die starke Queen Elizabeth (Eva Meckbach) scheint immun zu sein gegen die Einflüsterungen des Schmeichlers, bis er sie dann doch küssen darf.

Als Richard dann endlich auf dem Thron sitzt, wundert er sich fast, wie leicht das vor sich ging. Erst wird ein wenig gemeuchelt, dann gibt es Pellkartoffeln mit Quark. Die Banalität des Bösen. Endlich rotten die Feinde sich zusammen, und Richard färbt sich das Gesicht weiß wie eine Totenmaske. Da ist er dann nur noch ein Gespenst. In der Nacht vor der Schlacht rauben ihm die Geister der Ermordeten den Schlaf — ein grandioses Schlusstableau. Dann verliert er sein Königreich, weil er nicht mal mehr ein Pferd hat.

Keine Frage: Dieser „Richard III.“ hat, wie schon Eidingers Hamlet von 2008, das Zeug zum Dauerbrenner. Die neue Bühne bleibt dem Haus im Westen Berlins auf jeden Fall erhalten — nicht nur für Shakespeare-Abende.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort