"Der Snob": Wie Kaugummi auf glattem Parkett

Theater: In Remscheid überzeugt Gerd Leo Kuck mit „Der Snob“. Thomas Braus verkörperte eine ebenso komische wie tragische Figur.

Wuppertal/Remscheid. Der Tag ist gekommen, an dem Christian Maske sein Leben bilanziert. Die Ernennung zum Generaldirektor soll ein neues Kapitel einläuten, dessen Titel da lautet: "Ich habe es geschafft." Es geschafft, sich aus kleinbürgerlichen Verhältnissen bis in die höchsten Kreise hochzuarbeiten; es geschafft, sich durch Kleidung, Sprache, Habitus und durch das Anhäufen von Vermögen deren Repräsentanten beinahe zum Verwechseln anzugleichen. Aber eben nur beinahe. Denn der vermeintliche Makel der Herkunft klebt an ihm wie ein Kaugummi unter der Schuhsohle, das jederzeit auf dem gesellschaftlichen Parkett haften bleiben und ihn entlarven könnte. Carl Sternheim hat den Protagonisten seiner Komödie "Der Snob" als ebenso komische wie letztlich tragische Figur angelegt - und Thomas Braus verkörpert in Gerd Leo Kucks Inszenierung für die Wuppertaler Bühnen, die jetzt im Remscheider Teo Otto Theater Premiere feierte, diese Ambivalenz meisterhaft. Er gibt den eiskalten Machtmenschen, der seine Geliebte ebenso emotionslos mit einem Scheck abserviert, wie er seine karriere-hinderlichen Eltern abschiebt, und der sich in eitler Selbstverliebtheit an seiner Geld-Macht berauscht. Wie Braus diese Maske demaskiert, wie er bei der kleinsten Verunsicherung in Sekundenbruchteilen seine Aufgeblähtheit in sich zusammenfallen lässt, ist (mal wieder) eine Glanzleistung.

Bruchlos die Vorlage in die Gegenwart übertragen

Vollkommen bruchlos ist Gerd Leo Kuck und Ausstatter Philipp Kiefer die Übertragung der Vorlage in die Gegenwart gelungen. Mag bei der Uraufführung des Stücks 1914 in Berlin wilhelminischer Pomp den neureichen Wohlstand verkörpert haben - heute wird eben mit reichlich Platz geprotzt, in dem sich in kühl durchdesigntem Schwarz-Weiß ein paar Möbelstücke und eine abstrakte Skulptur verlieren. Hübsch symbolhaft ist der Boden zur ansteigenden schiefen Ebene gekippt, auf der die Dinge jederzeit ebenso ins Rutschen kommen könnten wie die gesellschaftlichen Verhältnisse. Die zu wilhelminischer Zeit zweifellos subversive Gesellschaftskritik im Gewand der Komödie hat zwar heute an Sprengkraft eingebüßt, ist aber nicht weniger aktuell - es genügt, in Gedanken das kleine Wörtchen "Geld" vor den Titel "Adel" zu setzen. Dass sie auch kaum weniger unterhaltsam erscheint, verdankt sich den Schauspielern, die allesamt ihre Figuren mit Charme und Witz zeichnen, ohne sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Neben Julia Wolff (Sybil), Andreas Ramstein (Graf) und Bettina Muckenhaupt als Mutter Luise in kabarettreifer Aufmachung überzeugen Olga Nasfeter als punkige Grafentochter und allen voran Hans Richter, der dem kleinbürgerlichen Beamten-Vater mit komödiantischem Ernst eine facettenreiche Persönlichkeit verleiht. Die Inszenierung geht nun nach Ludwigshafen. In Wuppertal ist sie im November zu sehen.

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