Das Gespenst Google Books

Deutsche Intellektuelle wehren sich gegen die Enteignung ihrer Arbeit im Netz.

Düsseldorf. Die Überschriften klingen dramatisch: "Unsere Kultur ist in Gefahr" (Professor Roland Reuß), "Alles hängt jetzt von Europa ab" (US-Autor Michael W. Perry), "Zeit, dass die Bundesregierung eingreift" (Rechtswissenschaftler Burkhard Hess) und "Das Teuflische an diesem Plan" ("FAZ"-Redakteur Hannes Hintermeier). Dieser Beelzebub ist ein nur scheinbar virtuelles Spielzeug. Es heißt: Google Booksearch Settlement und wird getrieben von Macht- und Geldgier seiner Besitzer.

Bis Donnerstag haben 1.861 Schriftsteller, Herausgeber von Print-Medien, Wissenschaftler, Schriftsteller, Regisseure, Verlage, Dramatiker, Fotografen, Übersetzer und sonstige Publizisten den "Heidelberger Appell" für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte unterzeichnet und damit gegen das Settlement und seine Folgen protestiert - die gesamte geistige Elite Deutschlands. Der Appell spricht unmissverständlich von Raub und geistigem Diebstahl.

1998 gründeten die Informatik-Studenten Lary Page und Sergey Brin in Stanford mit 810.000 Euro geliehenem Startkapital die Suchmaschine Google. Nach dem Börsengang 2004 und dem Kauf von YouTube 2006 für 1,03 Milliarden Dollar ist der Umsatz auf Hunderte Milliarden Dollar gestiegen, und Page und Brin zählen heute zu den 20 reichsten Männern der Welt.

Ihr gespenstisches Ziel: Händler und schließlich Verleger fremden geistigen Eigentums zu werden. Hannes Hintermeier: "GoogleBooks: oder Wie man Autoren und Verlage vorsätzlich ihrer Produkte beraubt."

Vor fünf Jahren begann Google, die Bestände amerikanischer Bibliotheken einzuscannen - unter Umgehung aller Vorschriften des Urheberrechtes. Am Ende sollen 25 Millionen verfügbar sein. Es gibt drei Arten von Büchern: eine Gruppe, deren Autoren länger als 70 Jahre tot sind (juristisch heißen sie "gemeinfrei"), die zweite mit vergriffenen Büchern und die dritte der lieferbaren, aktuellen Werke.

Vorerst bedient sich Google aus der mittleren Kiste, das langfristige Ziel sind natürlich die Werke lebender Autoren - und so das lachhafte Angebot, zum Lohn von 60 Dollar (anfangs 45 Dollar) pro Kopf und Buch unabhängig von der Höhe seiner Auflage. Soweit das Google-Angebot, und der geprellte Autor bekommt noch das Bonbon: Weltweite Verbreitung könne kein Verleger außer Google garantieren, und sei es in Exotensprachen wie Zulu.

Fünf amerikanische Verlage, parallel die Authors Guild (Schriftstellerverband), Michael W. Perry und die Rechteverwalterin von Nobelpreisträger John Steinbeck reichten vor dem New Yorker Bundesbezirksgericht eine Zivilrechtsklage gegen die Google-Pläne ein. Resultat: ein Vergleich, der vor allem die Sammelkläger-Anwälte mit 45 Millionen Dollar belohnte.

Doch das 300-seitige Vertragswerk war das Papier nicht wert, auf dem es stand. In 36 Sprachen übersetzt, waren offenbar sämtliche Sprachvermittler überfordert.

Christian Sprang, Justitiar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, erklärte, mit diesem Kauderwelsch könne sich kein deutscher Autor ein zutreffendes Bild machen. Nun geht die Auseinandersetzung in die nächste Runde. Das Vertragswerk ist, sagte selbst das Gericht, so komplex, dass alle Beteiligten Aufschub bis zum Herbst brauchen.

Zunächst ist ein "Fairness-Hearing" in New York anberaumt. Burkard Hess, Direktor des Instituts für Ausländisches und Internationales Privat- und Wirtschaftsrecht, dort solle sich neben Interessenverbänden auch eine Delegation der Bundesregierung einfinden. Der zu erwartende neue Vergleich werde die EU-Kommission in wettbewerbsrechtlicher Sicht alarmieren.

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