Ballett-Reigen zum 40. Jubiläum von John Neumeier

Hamburg (dpa) - Behutsam, fast ehrfürchtig setzt Kostja (Guillaume Côté), barfuß, in offenem weißen Hemd und Shorts, einen Fuß nach dem anderen auf das hölzerne Podest.

Schostakowitschs Klaviermusik erfüllt die ganz in stahlblau getauchte Bühne. Wenig später erscheint seine Nina (Heather Ogden). Zaghaft versuchen die beiden sich anzunähern, am Ende gibt es einen zarten Kuss. „Vor 40 Jahren war ich wie Kostja, der seine eigene Bühne mit langsamem Schritt betritt“, erinnert sich John Neumeier nach dem Eröffnungs-Pas de deux aus „Die Möwe“ nach Anton Tschechow. „Mit Respekt und Demut für die Kunst, der er dienen wollte. Nur durch Liebe kann hier etwas werden.“

Die Nijinsky-Gala, krönender Abschluss der 39. Hamburger Ballett-Tage, bot am Sonntagabend wieder sechs Stunden Ballett von Weltklasse. Zum 40. Jubiläum von Ballett-Intendant John Neumeier, der wie immer eloquent und mit persönlichen Anmerkungen durch den Abend führte, zeigte das Hamburg Ballett eine Auswahl seiner wichtigsten Choreografien. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) würdigte das Hamburg Ballett als „eine der besten Compagnien Europas“. „Es ist Persönlichkeiten wie John Neumeier zu verdanken, dass der Tanz in Deutschland immer mehr Fürsprecher findet“, sagte Neumann in seiner Ansprache und würdigte Neumeiers Verdienste für den Ballettnachwuchs und die Situation der Tänzer nach ihrer aktiven Laufbahn.

Neumeier hatte für die Gala Werke ausgewählt, die Meilensteine in seiner Karriere bildeten. „Irgendwie überrascht es mich, dass ich so lange geblieben bin. Das war nicht so gedacht. Als ich 1963 in Stuttgart anfing, dachte ich, ich würde ein Jahr in Deutschland bleiben“, erinnert sich der gebürtige Amerikaner. „Jetzt sind es 50 Jahre geworden“, sagte Neumeier, mit 71 Jahren der dienstälteste Ballett-Chef der Welt. Angefangen in Hamburg hat alles 1973 mit „Désir“ (1973), ein Pas de deux, am Sonntag getanzt von Silvia Azzoni und Alexandre Riabko, mit zahlreichen Elementen, die später immer wieder im Werk Neumeiers auftauchen werden. „Mit diesem Ballett war das nordische Eis gebrochen“, erinnert sich Neumeier und nach dem Erfolg seines ersten abendfüllenden Balletts „Daphnis und Chloe“ war klar, dass er länger in Hamburg bleiben würde.

Ein zärtliches Pas de deux aus „Othello“ (1985) mit Jason Reilly als Othello und Alicia Amatriain als Desdemona, sowie leidenschaftliche Begegnungen in „Josephs Legende“ (1979), mit Patricia Tichy und Alexandr Trusch in den Hauptrollen, zeigten, was Neumeiers Choreografien so einmalig macht: das Sichtbarwerden von Gefühlen durch den Tanz. Es folgten noch weitere, intensive Liebes-Pas de deux: „Now and Then“ mit Yuan Yuan Tan und Thiago Bordin, „Odyssee“ mit dem ehemaligen Publikumsliebling und jetzigen Leiter des Bayerischen Staatsballetts, Ivan Liska, „Sylvia“ mit Carolina Agüero und Alexandre Riabko sowie Laetitia Pujol und Manuel Legris, „Peer Gynt“ mit Carsten Jung und Alina Cojocaru sowie „Seasons“ mit Lloyd Riggins und Anna Polikarpova.

Neben den Pas de deux gab es prägende Ensemble-Szenen aus den Ballett-Klassikern „Der Nussknacker“ (1974), „A Cinderella Story“ (1992) oder den „Bernstein Dances“ (1998). Die Ballettschule mit „Blumenwalzer“ und das Bundesjugendballett mit „Simple Gifts“ gaben ebenfalls eine Kostprobe ihres Könnens. „Wir wollten in der Gala nur Ballette zeigen, die Sie während der dreiwöchigen Ballett-Tage noch nicht gesehen haben“, sagte Neumeier zum Abschied. „Doch eine Ausnahme mussten wir machen: die "Dritte Sinfonie von Gustav Mahler"“. Das Ballett aus dem Jahre 1975 wurde quasi das „Signaturstück der Compagnie“: Am Sonntag standen auch viele ehemalige Tänzer auf der Bühne wie Marianne Kruuse, Gigi Hyatt und Kevin Haigen. Und am Ende John Neumeier höchstpersönlich.

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